"Schoßgebete" von Charlotte Roche: Zum Abschnallen
"Schoßgebete", das neue Buch von Charlotte Roche, scheint wieder ganz der Ästhetik des schlechten Geschmacks zu huldigen. Doch der Roman ist bloß pubertäres Geschwafel.
Verlag und Autorin hatten im Vorfeld gleichermaßen vehement auf die Werbepauke gehauen. Mit Superlativen vollgestopfte Hochglanzbroschüren wurden verschickt, 500 000 Exemplare als Startauflage gedruckt und ein ebenso niedliches wie naives Video bei Youtube eingestellt. Das zweite Buch von Charlotte Roche sollte partout ein Medien-Event werden. Drei Jahre nach dem Mega-Bestseller „Feuchtgebiete“ nun also die „Schoßgebete“.
„Anschnallen“ müsse man sich, so der via Video übermittelte Ratschlag Roches ans Lesepublikum. „Ich wollte immer die Mutigste sein, die Lauteste, die Krasseste. Es muss krass sein, sonst entsteht Langeweile“, so das waschzetteltaugliche Selbstzeugnis der Autorin.
Verglichen mit dem Erstling hat die Protagonistin der „Schoßgebete“ deutlich an Jahren zugelegt. Aus der 18-jährigen Helen der „Feuchtgebiete“ ist nun Elisabeth geworden, eine Frau von Anfang dreißig, die schon einiges auf dem Buckel hat. Die einst magersüchtige Fotografin hat eine ganz große psychische Macke: „Ich möchte so gerne einzigartig sein.“ Nichts ist ihr wichtiger, als Aufmerksamkeit zu erregen. Sie will gefallen um jeden Preis, will gute Mutter, gute Ehefrau, gute Liebhaberin sein. Dies führt bis an den Rand der Selbstzerfleischung, etwa wenn Elisabeth mit ihrem Ehemann zu gemeinsamen Prostituiertenbesuchen aufbricht.
Elisabeth und Georg, die Fotografin und der Galerist, sind alles andere als ein leidenschaftliches Traumpaar. Er trägt übergroße Jogginghosen und wärmt das Ehebett vor dem Sex mit „hochwertigen“ Heizdecken an. Das klingt weder aufregend noch krass, ist nicht die Spur skandalträchtig, sondern eher bieder und langweilig. Und auch die Häufigkeit des ehelichen Beischlafs in den „Schoßgebeten“ rechtfertigt noch lange keine „Anschnallpflicht“. Vielleicht schon eher der schräge Vergleich des Hodensacks mit einem „Beutel voll Gold“.
Was an diesem Buch noch mehr stört als der gigantisch aufgeblähte PR-Prolog, ist eben jene sprachliche Schludrigkeit der Autorin, die sich nur unwesentlich vom Viva-Niveau emporgearbeitet hat und elanvoll in jedes sich bietende Klischee-Fettnäpfchen tritt: „Meine Hand fährt sofort in seine XXL-Yogahose. Ab hier betrüge ich meine männerhassende Mutter. Die hat versucht, mir beizubringen, dass Sex etwas Schlechtes ist. Hat bei mir aber nicht gewirkt.“
Der Autorin fehlt es am Handwerkszeug
Da stoßen wir sogleich auf die nächste Krux. Charlotte Roche wollte mit ihrem Zweitling nicht nur das vermeintlich brisante Sujet „Sex in der Ehe“ enttabuisieren, sondern en passant auch noch Eheroman, Mutter-Tochter-Konflikt und postfeministische Streitschrift liefern. Manchmal kann weniger mehr sein. Erst recht, wenn das adäquate sprachliche Handwerkszeug fehlt und das permanente Kokettieren mit dem Anrüchigen über die eigene Sprachlosigkeit hinwegtäuschen soll. Was sich hier selbst wie eine Ästhetik des schlechten Geschmacks feiert, ist nichts anderes als wildes postpubertäres Geschwafel.
Dabei ist es nachrangig, wie stark sich die Autorin an der eigenen Biografie abgearbeitet hat und wie groß oder klein der fiktionale Anteil ist. Charlotte Roches drei Brüder waren 2001 in London bei einem Autounfall ums Leben gekommen, ihre Mutter hatte bei dem Unglück schwerste Verbrennungen erlitten. Ein ähnlicher Unfall ereignet sich auch im Leben der Hauptfigur Elisabeth, die keinen Seelenfrieden mit ihrer Mutter schließen kann und sich selbst in einer Rolle als „Ansprechpartnerin für jede Scheiße, die noch kommt“, sieht.
„Schoßgebete“ ist ein völlig missratener erzählerischer Flickenteppich. Nicht skandalös, sondern ganz einfach nur peinlich und belanglos.
Charlotte Roche: Schoßgebete. Piper Verlag, 283 Seiten, 16,99 Euro.
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