Stefan Sienerth über Oskar Pastior
München (dpa) - Das Werk des rumänischen Lyrikers Oskar Pastior muss nach Ansicht des Germanisten Stefan Sienerth neu gelesen werden. Sienerth hatte herausgefunden, dass der 2006 gestorbene Pastior Informant des rumänischen Geheimdienstes Securitate gewesen ist.
"Es bietet sich eine neue Lesart an", sagte der Leiter des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Seine Lyrik hat eine eigenartige Bildlichkeit - und eine neue Untersuchung vor diesem Hintergrund ist bestimmt nicht uninteressant."
Sienerth war bei seinen Recherchen in den Archiven der rumänischen Behörde zur Aufarbeitung der Securitate-Akten auf belastende Hinweise gestoßen - zu seiner großen Überraschung. "Ich hatte das nicht erwartet", sagte er. "Und die Wahrheit wollte ich natürlich nicht verschweigen." Das große Interesse an seiner Enthüllung überrasche ihn aber doch. Als Wissenschaftler sei ihm an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema gelegen. "Man kann das natürlich nicht unter den Teppich kehren, aber man sollte nicht vergessen, dass die Verdienste Pastiors um die Literatur sehr groß sind."
Aus den Unterlagen, die Sienerth entdeckt hat, gehe hervor, dass Pastior unter "unwahrscheinlichem politischen Druck" gestanden habe. "Allerdings gibt es viele Leute, die diesem Druck widerstanden haben", betonte der Germanistik-Professor. Ein Fall sei dem Lyriker besonders anzukreiden: "In einem Fall, als er es nicht hätte tun müssen, hat er über eine Kollegin berichtet, die sich während der Kuba-Krise nicht zu Aufrüstungsplänen der Sowjetunion äußern wollte. Das ist eine unschöne Sache." Allerdings müssten seine Verstrickungen noch weiter erforscht werden.
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