Kein Grußonkel
Die neuen Regeln für das Rederecht gehen nicht zu weit.
Ein Abgeordneter ist ein freier Mensch – theoretisch. In der Praxis bestimmen oft andere, wie er abzustimmen hat. Widerspenstige Naturen, die sich eine eigene Meinung leisten und nicht in Fraktionszwängen denken, haben es auch in der Politik schwer. Im günstigsten Fall werden sie als Außenseiter belächelt, im ungünstigsten auf aussichtslose Listenplätze verbannt.
Eine parlamentarische Demokratie aber funktioniert nur, wenn ein Regierungschef nicht bei jedem Gesetz die Vertrauensfrage stellen muss. Die neuen Regeln für das Rederecht gehen deshalb auch nicht zu weit, wie Grüne und Linke finden. Weder verleihen sie den Fraktionsvorsitzenden noch mehr Macht noch degradieren sie den Parlamentspräsidenten zu einer Art Grußonkel noch entmündigen sie Abgeordnete, die anderer Meinung sind als ihre Fraktionsoberen.
Im Zweifelsfall entscheidet über ihre Auftritte auch in Zukunft keine alles kontrollierende Fraktion, sondern eine im Idealfall überparteiliche Autorität, der Präsident des Bundestages. Gegen Abgeordnete wie die Euro-Rebellen helfen schließlich keine Maulkörbe, sondern nur gute Argumente.
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