Nachhaltig unnachhaltig
Die Weltgemeinschaft handelt nachhaltig unnachhaltig. Einzelne positive Beispiele können den negativen Gesamteindruck kaum aufhellen.
Wenn es gelingt, neue Begriffe im kollektiven Bewusstsein zu verankern, dann hat sich meist die Mühe gelohnt. Das muss man dem Erdgipfel von Rio, wie die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung vor 20 Jahren kurz genannt wurde, schon lassen: Zwei dort verwendete Begriffe sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. „Agenda 21“ – die Liste mit den wichtigsten Aufgaben für das 21. Jahrhundert – und „nachhaltige Entwicklung“ – das favorisierte Wachstumsmodell der Zukunft.
Doch in der Sache hatte die Konferenz, deren Matadore zum Beispiel US-Präsident George Bush senior und Bundeskanzler Helmut Kohl waren, leider weniger Erfolg. Die Politik der großen Staaten ist nach wie vor nicht vom Prinzip der Nachhaltigkeit geprägt, das in der Forstwirtschaft entwickelt wurde: Man darf dem Wald nicht mehr Holz entnehmen, als nachwachsen kann. Übertragen auf die Erde heißt das: Unersetzliche Vorräte wie die fossilen Bodenschätze dürfen nicht in wenigen Jahrzehnten vergeudet werden. Und das Klimasystem der Erde, einmalige Lebensräume wie der tropische Regenwald sowie die biologische Artenvielfalt sind zu schützen, anstatt sie zum Nachteil kommender Generationen zu ruinieren.
Gelungen ist wenig. Der Erdgipfel einigte sich zwar auf die Klimarahmenkonvention. Doch ihr Ziel, „eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ zu verhindern, ist nicht mehr zu erreichen. Die durch den Menschen verursachte Klimaerwärmung kann bestenfalls noch begrenzt, nicht mehr verhindert werden. Obwohl seit Rio 17 Weltklimakonferenzen mit jeweils Tausenden Teilnehmern stattfanden, gibt es bis heute keinen rechtlich bindenden globalen Klimaschutzvertrag.
Ähnlich deprimierend ist die Lage beim Erhalt der tropischen Regenwälder. Allen leidenschaftlichen Appellen zum Trotz wird jährlich eine Fläche abgeholzt, die zweieinhalb Mal so groß wie Bayern ist. Auch das Artensterben geht ungebremst weiter. Das natürliche Phänomen wurde durch aktive Ausrottung und Zerstörung der Lebensräume mehr als hundertfach beschleunigt. Zwischen 1970 und 2000 starben 40 Prozent der Wirbeltiere aus.
Die Weltgemeinschaft handelt damit nachhaltig unnachhaltig. Einzelne positive Beispiele können den negativen Gesamteindruck kaum aufhellen. Die deutsche Politik der Förderung erneuerbarer Energien ist so ein Lichtblick – trotz einiger Ungereimtheiten. Auch die EU traf positive Entscheidungen zum Klimaschutz. Ebenso müssen viele Bürger und „Agenda 21“- Gruppen für ihr Engagement gelobt werden.
Aber der ökologische Fußabdruck von sieben Milliarden Menschen (1992 waren es noch 5,5 Milliarden) ist einfach zu groß für den Planeten Erde. Eine vorbildliche Initiative aus der Schweiz propagiert die „2000-Watt-Gesellschaft“. Käme jeder mit so wenig Leistung aus, um seine Bedürfnisse – Wohnen, Essen, Mobilität – zu erfüllen, könnte der Planet wieder aufatmen (aufs Jahr gerechnet entspricht dies 17500 Kilowattstunden Strom oder 1750 Litern Erdöl). Aber derzeit leben Mitteleuropäer in einer 6500-Watt-Gesellschaft, US-Amerikaner sogar in einer 12000- Watt-Gesellschaft. Es ist also ein weiter Weg bis zur ökologisch verträglichen und damit nachhaltigen Lebensweise.
Die Welt wird „Rio+20“ im Juni mit einer großen Konferenz feiern, wieder in Rio de Janeiro. Um die Wirtschafts- und Lebensweise auf dem Globus nachhaltig zu machen, müssten die Staats- und Regierungschefs weitreichende Entscheidungen treffen. Doch sie werden es wohl wieder nicht tun.
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