Seehofers Autoritätsverlust
Der Rückzug seines Finanzministers hat Bayerns Ministerpräsident Seehofer kalt erwischt. Die Hängepartie um die Neubesetzung des Postens dauerte lang, die Kollateralschäden sind groß.
Der Rückzug seines Finanzministers Fahrenschon hat den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer kalt erwischt. Entsprechend lang dauerte die Hängepartie um die Neubesetzung des wichtigen Postens; entsprechend groß sind die Kollateralschäden, die die CSU im Verlauf dieser äußerst mühsamen Personaloperation davongetragen hat.
Bei dem tagelangen Hin und Her sind ja nicht nur die Führungsprobleme eines Vorsitzenden zum Vorschein gekommen, dem die Fäden entglitten sind. Zu besichtigen war auch eine zutiefst verunsicherte, von Positionskämpfen und gegenseitigem Misstrauen gebeutelte Partei, der die Angst vor dem vollständigen Niedergang im Nacken sitzt. In ihren guten Zeiten hätte die CSU einen Fall der Marke Fahrenschon rasch erledigt und der Ministerpräsident keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er der Herr des Verfahrens ist. In ihren guten Zeiten hätte die CSU auch eine überzeugende Nachfolgelösung parat gehabt und nicht hingenommen, dass der Innenminister in der Not einfach Nein sagt zu einem Wechsel ins Finanzministerium. In ihren guten Zeiten hätte ein junger Mann wie Fahrenschon wohl auch nicht Reißaus genommen und weiter darauf vertraut, im Spiel um die Macht über den nächsten Wahltag hinaus am Drücker zu sein.
Aus und vorbei. Die CSU von heute ist sich, seit ihr der Nimbus der Unbesiegbarkeit genommen wurde und die Mehrheit der Bayern mit dem Gedanken an einen richtigen Machtwechsel spielt, ihrer Sache und ihrer Zukunft nicht mehr sicher. Deshalb vor allem ist aus der vergleichsweise überschaubaren Herausforderung, einen Finanzminister zu ersetzen, im Handumdrehen eine kleine Parteikrise geworden. Am Ende des peinlichen Tauziehens ist Seehofer, der seine ursprünglichen Pläne nicht durchsetzen konnte und sich mehrere Körbe eingehandelt hat, noch eine irgendwie passable Lösung gelungen. Markus Söder wird sich die fehlende finanzpolitische Expertise erarbeiten – die in diesem Schlüsselressort notwendige Durchsetzungskraft hat er. Marcel Huber kann Umweltminister, Thomas Kreuzer hat das in der Staatskanzlei geforderte organisatorische Rüstzeug. Aber was soll „stark“ (Seehofer) an einer Kabinettsumbildung sein, die auf verschlungenen Wegen zustande kommt, die Partei in hellen Aufruhr versetzt und das Führungspersonal beschädigt?
Söder steigt zum Finanzminister auf, war aber – wie man inzwischen weiß – am Ende halt nur zweite Wahl. Die dezente Bewerbung der Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner hat offengelegt, dass der Stellungskampf um die beste Ausgangsposition für die Nachfolge Seehofers bereits in vollem Gange ist. Die Sozialministerin Haderthauer, zunächst Seehofers Favoritin, wurde vor aller Augen gewogen und zu leicht befunden. Sie geht geschwächt aus dem Schaulaufen der Kronprinzen hervor.
Am schwersten freilich wiegt für die CSU der Autoritätsverlust, den Seehofer erlitten hat. Der Ministerpräsident, der bis zu Guttenbergs schmählichem Sturz als Vorsitzender auf Abruf galt, steht unangefochten an der Spitze und wird die CSU in den Wahlkampf führen. Aber die Zweifel daran, ob Seehofer die Macht verteidigen und die zu diesem Zweck notwendige Mobilisierung sowohl der Stammwähler als auch der Parteibasis bewerkstelligen kann, sind in den vergangenen Tagen noch gewachsen.
Das hat mit seiner Neigung zum raschen Spurwechsel und seiner Lust zu tun, die Gefolgschaft regelmäßig einem Wechselbad der Gefühle auszusetzen. Die Opposition jedenfalls darf aus diesem Kabinettstück der verwechselbar werdenden CSU den zutreffenden Schluss ziehen, erstmals seit Menschengedenken tatsächlich eine realistische Chance zu besitzen.
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