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Krankheit
07.02.2017

Zu viel Frau im Mann: Dieser Ulmer muss mit einem Gendefekt leben

Urs Ambrosius ist Vorsitzender der deutschen Klinefelter-Syndrom-Vereinigung.
Foto: Dominik Prandl

Ins Freibad ging Urs Ambrosius nicht gern. Auch im Sportunterricht schämte er sich. Weil er anders aussah als die anderen. Weil er Brüste hatte.

Im Sportunterricht wird er vom Lehrer verhöhnt: „Urs, ich schick dich bald mal zu den Mädels“, kriegt er damals zu hören. Weil er im Gegensatz zu den anderen Buben Brüste hat. „Der Sportlehrer hat mich kaputtgemacht“, sagt Urs Ambrosius heute. Auch ins Freibad ging er als Jugendlicher nur ungern. Er schämte sich für sein Äußeres, er wollte nicht gehänselt werden. Erst nach der Schulzeit, mit 19 Jahren, erfuhr der Ulmer, warum seine Brüste vergrößert waren: Er leidet unter einem genetischen Defekt, dem Klinefelter-Syndrom. Die Diagnose war ein harter Schlag für ihn. Heute ist sie eine Genugtuung, sagt er: „Jetzt weiß ich, dass es nicht an mir lag.“

Kleinkriegen lässt sich der 29-Jährige inzwischen nicht mehr. Ambrosius ist Vorsitzender der deutschen Klinefelter-Syndrom-Vereinigung, des größten deutschen Selbsthilfevereins, und setzt sich daher jeden Tag mit seinem Defekt auseinander. Als Krankheit will der 29-Jährige das Klinefelter-Syndrom nicht beschreiben. „Krankheit ist für mich etwas, das ich heilen kann“, sagt er. Was er habe, sei schlicht ein Defekt im Chromosomensatz. „Ich kann es nicht rückgängig machen.“

Normalerweise hat jeder Mann ein weibliches X- und ein männliches Y-Geschlechtschromosom in seinen Körperzellen. Männer mit Klinefelter-Syndrom besitzen ein weibliches Geschlechtschromosom mehr, was auf eine Störung bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzellen der Eltern zurückgeht. Geschlechtschromosomen tragen Erbanlagen, die unter anderem für die Entwicklung der äußeren Geschlechtsmerkmale, für die Bildung der Geschlechtshormone sowie für die allgemeine körperliche und sexuelle Entwicklung wichtig sind.

Jeder 500. Mann ist von Klinefelter betroffen

Und Ambrosius ist damit nicht allein: Jeder 500. Mann ist von Klinefelter betroffen, in Deutschland dürften es also etwa 80.000 Männer sein. Doch anders als beispielsweise beim Down-Syndrom hat dieser Gendefekt eher wenig Ausprägungen: Alle betroffenen Männer haben kleine Hoden und sind zeugungsunfähig, weil zu wenige oder keine Spermien gebildet werden – und alle leiden unter einem Mangel an Testosteron, das wichtigste männliche Geschlechtshormon. Dadurch ist ihr gesamter Hormonhaushalt durcheinander, wodurch sich etwa die Brust bei manchen weiblich entwickelt, sich kaum Körperbehaarung zeigt, bei einigen die Pubertät gänzlich ausbleibt. Dass Betroffene wie Ambrosius so spät von dem Defekt erfahren, ist daher kein Einzelfall. Nur etwa zehn bis 15 Prozent wissen überhaupt, dass sie am Klinefelter-Syndrom leiden.

Wenn man Ambrosius heute trifft, hat man ganz und gar nicht das Gefühl, dass er an seiner Diagnose oder den Auswirkungen des Syndroms zu knabbern hat. Er lacht viel, redet geradeheraus. Doch am Anfang war das anders. Als dem Hausarzt vor zehn Jahren seine kleinen Hoden auffielen, ein niedriger Testosteronwert festgestellt wurde und der DNA-Test keinen Zweifel ließ, hat der Ulmer die Diagnose Klinefelter erst einmal verdrängt. Dass er keine Kinder zeugen kann, gab ihm das Gefühl, unnütz in der Gesellschaft zu sein. Seiner Mutter erzählte er von der Diagnose erst zwei oder drei Jahre später. „Ich hatte Angst, dass sie denkt, dass ich behindert bin und sie mich deshalb nicht studieren lässt.“ Denn das Syndrom werde oft in Verbindung zu Aggressionen und geistiger Behinderung gebracht.

"Ich bin der Dr. Sommer des Vereins"

Es dauerte noch einmal zwei Jahre, bis Ambrosius seinen Freunden davon erzählte, dass bei ihm einiges anders ist. Heute führt er ein Leben wie jeder andere auch. Seine großen Brüste hat er sich wegoperieren lassen. Das Testosteron, das er regelmäßig gespritzt bekommt, beseitigt so gut wie alle anderen Probleme. Und führt dazu, dass seine Muskelmasse zulegt. So manches habe eben auch seine Vorteile, sagt Ambrosius, dem man den Defekt äußerlich beim besten Willen nicht ansieht.

Als ein Vorsitzender des Selbsthilfevereins kümmert sich Ambrosius um betroffene Jugendliche und ihre Probleme. „Ich bin der Dr. Sommer des Vereins“, sagt er. Unter den Jugendlichen, die er betreut, sind Männer im Alter zwischen 14 und 36 Jahren. Viele, die erst spät von ihrem Defekt erfahren und mit der Testosteron-Behandlung beginnen, setzen sich nämlich auch erst später mit den Problemen der Pubertät auseinander. Manche haben bis dahin kaum sexuelles Verlangen verspürt. Mit der Testosteronzufuhr bricht dann plötzlich und gewaltig die Pubertät über sie herein – und damit all die Herausforderungen.

„Du weißt nicht, wohin mit der Energie“, beschreibt Ambrosius das Gefühl der Hormonzugabe. Auch sein Leben habe sich mit der Behandlung, die nie enden wird, von Grund auf verändert: „Ich freue mich auf jeden Tag.“ In seiner Schulzeit hatte er dagegen Motivationsprobleme. Meist fehlte ihm einfach der Antrieb, erzählt er. Viele Kinder mit Klinefelter-Syndrom haben in der Schule Probleme. Sie gelten häufig als zurückgezogen oder leiden unter starken Stimmungsschwankungen. Ambrosius sagt, heute ist er hin und wieder schon noch launisch. Doch das ist kein Vergleich damit, wenn der 29-Jährige die Testosteron-Behandlung unterbricht. Dann verwandelt er sich in einen ganz anderen Menschen: „Dann bin ich eine Zicke, müde, habe Lust auf gar nix, habe keinen Ehrgeiz.“

"Angst vor eigenem Körper ständiges Problem"

Launisch ja, sagt Ambrosius. Andere naheliegende Annahmen schiebt er erst einmal weit von sich. Etwa, dass Menschen mit Klinefelter-Syndrom Zwitter seien oder eher weiblich. „Wir sind klar Männer.“ Wobei es unter den Betroffenen durchaus viele homosexuelle Männer gebe. Die Ursache dafür sieht er allerdings darin, dass Betroffene häufig unter geringem Selbstbewusstsein litten: „Die Angst vor dem eigenen Körper ist ein ständiges Problem“, sagt er. Häufig fehle der Ehrgeiz und der Mut, eine Frau anzusprechen. In einer Bar für Schwule sei es dagegen leichter, jemanden kennenzulernen.

Lernschwierigkeiten, Antriebslosigkeit, Potenzprobleme: Es gibt eine ganze Reihe von Anzeichen, die auf den Gendefekt hindeuten. Festgestellt wird er trotzdem häufig erst, wenn die Männer Kinder zeugen wollen, es aber nicht klappt. Früher, erzählt Ambrosius, sei das Syndrom auch regelmäßig im Zuge der Musterung bei der Bundeswehr erkannt worden. Inzwischen lässt sich die Unregelmäßigkeit in der Erbanlage inzwischen schon vor der Geburt bei einer Fruchtwasseruntersuchung feststellen. Das allerdings führt zu neuen Konflikten: Manche Eltern entscheiden sich für eine Abtreibung, wenn das Klinefelter-Syndrom festgestellt wird. Andere neigen dazu, das Kind womöglich zu sehr zu behüten – weil man doch das Gefühl hat, dass es krank ist.

Nicht zuletzt stehen Eltern vor der Entscheidung, wann sie dem Kind vom Defekt erzählen sollten. Ambrosius rät: „So mit 15 Jahren.“ In diesem Fall könne man rechtzeitig damit beginnen, dem Buben Testosteron zu geben – und damit den Beginn der Pubertät simulieren. Zudem seien die Kinder dann in dem Alter, in dem sie die Erkenntnis erst einmal für sich behalten könnten. Auch das sei wichtig. Denn Kinder, sagt Ambrosius, könnten grausam sein. Allzu schnell werde der Mitschüler dann als behindert abgestempelt.

Viele betroffene Männer werden depressiv

Für die Betroffenen selbst ist es ein Vorteil, sagt der 29-Jährige, dass kaum jemand den Gendefekt kennt, dass man es den meisten auch nicht unbedingt ansieht. Für die medizinische Erkenntnis und die Behandlung sei das allerdings weniger gut, schränkt er ein. Als Mitglied des Vereins setzt sich der Ulmer deshalb für mehr Aufklärung – insbesondere der Ärzte – ein. Eine frühe Diagnose biete schließlich die Möglichkeit, das Ungleichgewicht der Hormone zu korrigieren. Den Defekt zu entdecken, sei in jedem Alter wichtig. Schließlich habe der Testosteronmangel auch eine negative Wirkung auf den Zustand der Knochen: Die Knochendichte kann sich verringern, was das Risiko für Brüche erhöht. „Manche 38-Jährige haben dadurch schon Knochen wie 70-Jährige.“

Ist das Klinefelter-Syndrom erst einmal erkannt, hänge es vom Einzelnen ab, wie stark es ihn präge, sagt Ambrosius. Die Gefahr sei groß, dass man als Betroffener alles auf das Syndrom schiebe. „So stellt man sich selbst vor unlösbare Probleme.“ Nicht umsonst werden viele betroffene Männer im Laufe ihres Lebens depressiv. Auch Ambrosius ist davon nicht ganz verschont geblieben. Nachdem der Gendefekt festgestellt worden war, verließ ihn seine Freundin – eben aus diesem Grund. Doch der Ulmer hat sich selbst aus der schwierigen Situation herausgezogen. Er hat gelernt, mit dem Defekt klarzukommen. Heute lebt er in einer festen Beziehung, er ist glücklich. Auch seinen Traum vom Studium hat er in die Tat umgesetzt. Mittlerweile arbeitet er als Wirtschaftsingenieur, in seiner Freizeit versucht er andere Klinefelter-Betroffene zu unterstützen.

Der Defekt schränkt ihn, abgesehen von der Unfruchtbarkeit und der Hormonersatztherapie, nicht mehr ein, sagt Ambrosius. Wenn er eines gelernt hat, dann das: „Es ist deine Entscheidung: Entweder du willst drunter leiden oder es ist dir scheißegal.“

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