Demo gegen Kneipen-Schließung
Graf von Moy will ein Gebäude in Freising verkaufen, in dem seit fast 40 Jahren eine Kult-Kneipe ist. Die Gäste fürchten um ihr „Abseits“ und reisten deshalb nach Stepperg.
Eine ungewöhnliche Kundgebung mit ebenso bemerkenswertem Hintergrund: Sonntag Nachmittag erlebte das beschauliche Stepperg die wahrscheinlich allererste Demonstration in der Dorfgeschichte überhaupt. Und dabei ging es nicht etwa um örtlich relevante Themen wie Hochwasser oder dergleichen. Nein – der Anlass liegt rund 80 Kilometer weiter südlich und ist eine Freisinger Kneipe, „Abseits“ genannt. Sie gehört dem Stepperger Grafen Guy von Moy, der sich von dem Gebäude trennen will. Jetzt sehen Kneipenfans ihren Treff in Gefahr und ergriffen Initiative. Nachdem die Verhandlungen im Vorfeld nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen sind, charterten sie gestern einen Bus, steuerten damit Schloss Stepperg an und präsentierten sich dort mit ihrem Anliegen. Höhepunkt der Aktion war der Gesang eines eigens gegründeter „Abseits“-Chors, der den Begehrlichkeiten gar musikalisch Ausdruck verlieh.
Die Kneipe Abseits ist wie ein Kulturzentrum
Hintergrund für den Aufmarsch ist, wie gesagt, die Freisinger Kneipe „Abseits“, die Graf Guy von Moy Ende dieses Jahres schließen will. Das „Abseits“ ist in Freising Kult – dort trifft sich regelmäßig eine treue Fan-Gemeinde nicht nur auf ein Bier, sondern sie schätzt auch die Kleinkunst-, Kabarett- und Musikprogramme. Der Freisinger Stadtheimatpfleger Hermann Bienen geht sogar soweit, von einem „Kulturzentrum“ zu sprechen. Und auch Albert Baumgartner-Murr, einer der gestrigen Demonstranten, erklärte: „Das ’Abseits’ soll als historisches Gebäude und als Kulturstätte erhalten bleiben.“
Zweifelsohne scheint das „Abseits“ zu Freising zu gehören wie der Dom, doch es gibt ein Problem: Die Kneipe ist eine alte Kaschemme, bei der es hinten und vorne fehlt – und das nicht erst seit gestern. Schon 1979 sollte das Gebäude abgerissen werden, doch die einstige Brauerei Graf Moy, die heute zum Hofbräuhaus Freising gehört, gewährte damals zwei Studenten einen kurzfristigen Pachtvertrag. 36 Jahre später gibt es das „Abseits“ immer noch, doch scheint das Ende am 31. Dezember dieses Mal besiegelt.
Graf von Moy möchte das marode Gebäude nämlich loswerden, denn die Mängel häufen sich. Weil ein Abriss mittlerweile nicht mehr infrage kommt, da das Gebäude seit diesem Jahr unter Denkmalschutz steht, möchte der Eigentümer es verkaufen. Der jetzige Wirt Michael Eggerstorfer würde es kaufen – für eine Million Euro. Doch angeblich gibt es einen weiteren Interessenten, der 1,5 Millionen Euro hinblättern würde. Die Befürchtungen der „Abseits“-Anhänger sind allerdings, dass der neue Eigentümer der Kult-Kneipe den Todesstoß versetzt, indem er daraus etwa schicke Wohnungen macht. Deshalb hat sich vor einiger Zeit der „Abseits-Chor“ gegründet, der mit einer Reihe von Konzerten zum Erhalt der Kneipe von sich reden gemacht hat.
Graf Moy bemerkte von der Demonatration nichts - er war nicht da
Am Sonntag fehlten allerdings die Zuhörer – ganz Stepperg nahm die Kundgebung nicht wahr – insbesondere der eine, der wesentliche Zuhörer. Das Lied der Sänger „Don’t stop me now“ hallte zwar über den Kirchplatz, erreichte allerdings den Adressaten nicht. Denn Graf von Moy, dem die Demonstration galt, ist bereits seit einigen Tagen auf einer Tagung in der Toskana und war deshalb nicht da, um den Rummel persönlich zu erleben. Allerdings ließ er die Neuburger Rundschau per Mail wissen, dass er das Vorgehen der „Abseits-Fans“ als „sehr seltsam“ empfinde. Der Pächter des Lokals wolle „über eine von ihm hergestellte Öffentlichkeit Druck machen, damit er diese Wirtschaft zu etwa zwei Drittel des Marktpreises kaufen kann“. Graf von Moy schildert, er sei durchaus zu Gesprächen bereit gewesen und habe diese auch mit der „Abseits“-Initiative geführt. Allerdings seien in einem Interview über ihn selbst und seine Mitarbeiter „unwahre und ziemlich ehrabschneidende Behauptungen“ aufgestellt worden. Deshalb habe er danach die Verhandlungen für beendet erklärt.
Am Sonntag nun gaben sich die „Abseits“–Fans versöhnlich. „Wir wollen nicht Krawall machen“, erklärte Christina Hacker, ein Mitglied der Bewegung, „sondern dem Grafen die Hand reichen, damit dieses Kneipen-Fossil auch noch für unsere Enkel erhalten bleibt.“
Die Diskussion ist geschlossen.