Ist es mittags wirklich am heißesten? Hitze-Mythen auf dem Prüfstand
Um die Hitze ranken sich viele Mythen - von den höchsten Temperaturen, die es angeblich immer mittags gibt, bis zum Hitzefrei für Arbeitnehmer.
Hitzewelle in Deutschland, das Land schwitzt bei Temperaturen weit jenseits der 30-Grad-Marke. Weil es so heiß ist, gilt es im Alltag vieles zu beachten: Mehr trinken zum Beispiel wird empfohlen, und die Blumen besser morgens als nachmittags zu gießen. Manche Weisheit entpuppt sich allerdings als Mythos. Ein Faktencheck.
Stimmt es eigentlich, dass...
... es mittags am heißesten ist?
Fragt man beim Deutschen Wetterdienst nach der "Mittagshitze", ist die Antwort klar: "Das ist kein meteorologischer Begriff", sagt Sprecher Andreas Friedrich. Hitze sei streng genommen alles über 30 Grad, entsprechend könne es mittags auch mal Hitze geben. Die eine "Mittagshitze" gebe es aber nicht. Die DWD-Messstationen registrierten den heißesten Zeitpunkt des Tages in der Regel zwischen 16.00 und 17.00 Uhr. Dann hat die Sonne den Boden maximal erwärmt, mit sinkendem Sonnenstand fallen anschließend die Temperaturen wieder. Man könnte also eher von einer "Feierabendhitze" sprechen. Jörg Kachelmann formuliert das auf Twitter noch etwas direkter:
... man abends nicht joggen gehen sollte?
Jein. Hintergrund für diese gelegentlich ausgesprochene Empfehlung sind hohe Ozonwerte in der Luft. Das farblose, giftige Gas kann die Atemwege reizen, erläutert das Umweltbundesamt. Da die Werte im Sommer meist am Nachmittag am höchsten sind, rät die Behörde zum Beispiel Asthmatikern, zu dieser Tageszeit körperliche Aktivitäten im Freien zu vermeiden. Bei gesunden Menschen hält es Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln so: Wer kann, geht besser schon früh morgens joggen. Und wer das nicht kann, joggt besser am Abend als gar nicht. Faul herumzusitzen sei gefährlicher, sagt er.
... Zugluft schädlich ist?
Wenn Luft über verschwitzte Haut streift, entsteht Verdunstungskälte. Die Körperoberfläche wird also gekühlt. Das ist bei Hitze erstmal angenehm. Allerdings kann sich dadurch die darunter liegende Muskulatur verspannen, erklärt Hans Michael Mühlenfeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Bremen. Mögliche Folgen sind ein steifer Nacken oder auch Kopfschmerzen. Alternativ kühlen feuchte Lappen oder Fußbäder, empfiehlt Sabine Gehrke-Beck, Allgemeinmedizinerin an der Berliner Charité.
... man beim Blumengießen kein Wasser auf die Blätter gießen soll?
Es heißt zwar, dass Wassertropfen auf den Pflanzen in der Sonne wie Brenngläser wirken - die Blätter verbrennen also eher, wenn man das Gießwasser über sie gießt. Isabelle Van Groeningen von der Königlichen Gartenakademie in Berlin sagt jedoch: "Ich halte den Tipp für übertrieben. Den meisten Pflanzen macht das nichts aus." Nur jene mit wolligen und filzigen Blättern wie der Wollziest litten darunter - "sie sind konzipiert dafür, in Trockenheit zu leben."
... Arbeitnehmer bei hohen Temperaturen hitzefrei bekommen?
Nein. Am Arbeitsplatz sollten die Temperaturen zwar erträglich sein. Arbeitsräume, die wärmer als 26 Grad Celsius sind, sind in der Regel nicht vorgesehen, erklärt die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutsche Anwaltverein, und ab 35 Grad gelten sie endgültig nicht mehr als adäquate Arbeitsumgebung. Der Arbeitgeber muss die Räume dann herunterkühlen oder für Ersatz sorgen. Einfach gehen dürfen betroffene Angestellte aber nicht. Sie müssen ihrem Chef vielmehr Zeit geben, die Temperatur zu regeln oder einen kühleren Raum zu organisieren. Gelingt das nicht, kann man sich meist auch auf eine Alternative einigen - zum Beispiel einen Tag im Homeoffice, für den man sich dann selbst ein schattiges Plätzchen sucht.
Auch an Arbeitsplätzen im Freien muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Gesundheit der Beschäftigten nicht in Gefahr ist - zum Beispiel dadurch, dass er für Schatten sorgt, kühle Getränke bereitstellt oder schwere Arbeit in die frühen Morgenstunden verlegt, wie die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft erläutert.
... Smartphones unter der Hitze leiden?
Kann sein. Manches Smartphone mag Sonnenstrahlung und Hitze gut überstehen, bei anderen kommt es zu Beeinträchtigungen - zum Beispiel am Akku, der laut dem Tüv Süd schon ab einer Temperatur von 35 Grad Schaden nehmen kann. Das äußert sich in geringerer Leistung, kürzerer Lebensdauer, Kurzschlüssen oder - schlimmstenfalls - durch einen Akkubrand. Auch die Pixel im Display können durch Hitze und direkte Sonneneinstrahlung Schaden nehmen. Die Folgen sind dann zum Beispiel Darstellungsstörungen oder blinde Flecken. Moderne Smartphones schalten sich bei zu großer Hitze auch von selbst ab oder zeigen einen Hinweis an - spätestens dann gehört das Gerät in den Schatten. (dpa/tmn)
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Bzgl. "Hitzefrei für Arbeitnehmer" schreibt Ralf Höcker in seinem Buch "Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer" aber leicht etwas anderes:
"(...) Denn einen Anspruch auf "hitzefrei" gibt es tatsächlich! (...) Grundsätzlich gilt, daß es bei Außentemperaturen bis 32°C im Büro nicht wärmer als 26°C sein sollte. Wenn die Außentemperatur über 32°C liegt, sollte es in den Arbeitsräumen mindestens 6°C kühler sein als draußen. Gemessen wird direkt am Arbeitsplatz. Der Arbeitnehmer kann also verlangen, daß ihm ein ordnungsgemäß temperierter Arbeitsraum zur Verfügung gestellt wird. Dagegen ist es ein Gerücht, daß Arbeitgeber verpflichtet sein sollen, ab einer bestimmten Temperatur kostenlos gekühlte Getränkte bereitzustellen. (...) Wenn der Arbeitgeber es versäumt, die Arbeitsräume vernünftig zu temperieren, muß der Arbeitnehmer dort nicht arbeiten. Er kann sich "hitzefrei" nehmen und hat dennoch weiterhin Anspruch auf ungekürztes Gehalt. Auch nacharbeiten muß er die ausgefallene Zeit nicht."
(vergl. Dr. Jur. Ralf Höcker "Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer", Kapitel "Hitzefrei für Arbeitnehmer", ullstein TB ISBN 9783548369921)