Linker Millionär und streikender Star: Martin Sheen wird 75
Der Sohn mag heute bekannter sein, aber in Erinnerung wird der Vater bleiben: Martin Sheen gilt als einer der wichtigsten Stars Hollywoods. Und als anstrengender Besserwisser.
Auf seine alten Tage hat Martin Sheen seine große Liebe gefunden: einen Mann. Das ist zumindest die Rolle, über die gerade Amerika spricht. Sheen spielt in der Serie "Grace and Frankie" einen alternden Anwalt, der die Liebe zu seinem Kollegen öffentlich macht und damit die ganze Familie, und zuerst Jane Fonda als seine Frau, ins Chaos stürzt. Privat hat Sheen eine große Familie, eine Dynastie gar - und Chaos kennt sie auch. Dem Star scheint keine Ruhe vergönnt, nicht einmal jetzt zum 75. Geburtstag (3. August).
Die Kindheit sah nicht nach Karriere aus: Ramón Antonio Gerardo Estévez war eines von zehn Kindern eines spanischen Einwanderers. Die Mutter starb jung, da war Sheen elf Jahre alt. Als er schauspielern wollte, war der Vater strikt dagegen. Ein katholischer Priester lieh ihm schließlich das Geld, um von Dayton, Ohio - Großstadt, aber Provinz - zur Ausbildung nach New York zu fahren.
Allerdings musste ein neuer Name her. Da der kleine Ramón immer Erzbischof Fulton J. Sheen mit seiner "Katholische Stunde" im Radio und Fernsehen verehrt hatte, nannte sich der junge Schauspieler Martin Sheen. Und in der Welthauptstadt von Theater und Bühne half ihm einer der buntesten Vögel des Katholizismus: Dorothy Day - Journalistin, Feministin, Kommunistin, Anarchistin, Pazifistin, Katholikin, alles möglichst radikal. Sheen organisierte unter ihrem Einfluss seinen ersten Streik - mit 14. Von da an war er ein politischer Aktivist und blieb es auch als Millionär und Filmstar.
Martin Sheen ist das Oberhaupt einer Hollywooddynastie
Doch der Weg zum Star war lang, auch wenn Sheen große Rollen spielte: John F. Kennedy und dann dessen Bruder Robert, einen Offizier in der Kriegssatire "Catch-22" und 1972 in "Damals im Sommer" den Sohn eines schwulen Vaters - dem ersten US-Film, in dem ein Homosexueller nicht albern und tuntig, sondern mit normalen Problemen und Gedanken erschien.
Ein Unbekannter war Martin Sheen also nicht mehr, als er für Francis Ford Coppola in den Vietnamkrieg zog. "Apocalypse Now" war für Marlon Brando die Krönung, für Sheen der endgültige Durchbruch. Der Film wurde mit Preisen überhäuft, fand Eingang in diverse "Bester Film aller Zeiten"-Listen und wurde ein Stück Kulturgut.
Martin Sheen ist das Oberhaupt einer Hollywooddynastie. Seine drei Söhne und die Tochter spielen alle, Emilio und Ramón sind auch Regisseure. Den Ruhm des Vaters erlangte aber nur Carlos. Der Sohn hatte seinen Durchbruch 1986 wie Papa in einem Vietnamfilm und mit einem Künstlernamen: Charlie Sheen in "Platoon". Zusammen spielten beide ein Jahr später in "Wall Street" - als Vater und Sohn.
Sheen kritisierte Bush scharf
Die Jüngeren kennen Martin Sheen als Jed Bartlet. In sieben Staffeln spielte er in "The West Wing" den Präsidenten der USA. Der war weltgewandt und diplomatisch - genau das, was Sheen dem damaligen echten Präsidenten absprach. Sheen kritisierte George W. Bush scharf, wofür ihn einige feierten, andere als Wichtigtuer kritisierten. Wenn es um Kriege, Gewerkschaften oder Dritte Welt geht, ist Sheen zur Stelle: der Linke, der Aktivist, der Störenfried; manchmal auch der Besserwisser.
Obwohl Sheen gläubiger Katholik ist, ist er ein Verfechter der Homoehe. Entsprechend glaubwürdig ist er nun in "Grace and Frankie" mit seiner Liebe zu Sol (Sam Waterston). Ein paar Seitenhiebe gibt es trotzdem. So beschwert sich sein Filmsohn in einer Szene: "Papa hat Mama und uns seit 20 Jahren betrogen. Aber weil er es nicht mit einer Frau, sondern einem Mann getan hat, muss ich das jetzt auch noch toll finden und total glücklich für die beiden sein." Von Chris Melzer, dpa
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