Migranten haben keine Versicherung - Ärzte helfen ehrenamtlich
Wer krank ist, geht einfach zum Arzt - oder? Immer mehr Flüchtlinge in Deutschland haben aber keine Versicherung, die ihre Kosten übernimmt. Viele Ärzte behandeln sie ehrenamtlich.
Er nennt sich Kofi, hat keine Papiere, keine gültige Krankenversicherung, und kein Insulin. Das braucht der junge Mann aber dringend. Der 26-Jährige leidet an Diabetes, das stellte eine Hamburger Klinik vor wenigen Wochen fest. Doch sein Vorrat an Insulin ist aufgebraucht. Ohne Krankenversicherung ist es nicht leicht, das lebenswichtige Hormon zu bekommen.
Vor acht Jahren kam Kofi aus Ghana nach Europa, über das Mittelmeer. Er ist ein Migrant in Deutschland und hat keine Papiere. Er kann sich nur an ehrenamtliche Ärzte wie Detlev Niebuhr, 69, Arzt im Ruhestand, wenden. Die Sprechstunde findet im Hamburger Marienkrankenhaus statt. Niebuhr arbeitet für die Malteser Migranten Medizin, er wechselt sich mit zwei Kollegen wöchentlich ab. Er findet: "Es ist ein Skandal, dass meine Arbeit überhaupt nötig ist."
Migrantenmedizin wird von vielen ehrenamtlichen Ärzten unterstützt
Das Diakonische Werk schätzte, dass bereits 2008 bis zu 22.000 Menschen allein in Hamburg weder gültige Papiere noch eine Krankenversicherung besaßen. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. Doch der Bedarf an medizinischer Hilfe steigt. Niebuhr kann für Kofi diesmal nicht viel tun, denn Insulin ist gerade aus bei der Migrantenmedizin. Arzneimittel werden hier durch Spenden finanziert. Die meisten Mittel kommen vom Verein "Medikamentenhilfe für Menschen in Not".
Mit einem Privatrezept wird Migrant Kofi zum Flüchtlingszentrum Hamburg geschickt. Dort, so erklärt ihm Niebuhr auf Englisch, könne Kofi um Geld für Insulin bitten. Die ehrenamtlichen Ärzte müssen ihre Patienten oft weitervermitteln, gerade, wenn es sich um medizinisch schwierigere Fälle handelt. Selbst Operationen konnten mithilfe von Kollegen, die die Migrantenmedizin unterstützen, bereits organisiert werden.
Auch Einstein war bereits in der Migranten-Sprechstunde
Würde die Ausländerbehörde bei der Sprechstunde die Pässe kontrollieren, hätte wohl jeder zweite keine gültigen Papiere, erklärte Niebuhr. Es gibt auch andere Gründe dafür, dass seine Patienten keine Versicherung haben. Armutsflüchtlinge aus EU-Staaten dürfen legal in Deutschland leben. Doch bislang gab es keine Kontrollen. Neben der Malteser Migranten Medizin gibt es weitere Einrichtungen, die sich um Patienten ohne Krankenversicherung kümmern, zum Beispiel die "Praxis ohne Grenzen" oder das Medibüro.
Kofi hat seit seiner Diagnose Diabetes zehn Kilo abgenommen, denn er hat Angst vor dem Essen. Wenn er esse, brauche er Medizin. Wie viele andere Patienten kam auch er erst zu Niebuhr, als es nicht mehr hinauszuzögern war. Aber es gibt auch lustige Momente im Marienkrankenhaus. Ein Patient namens Einstein stand einmal vor Niebuhr. Welcher Name ihm genannt wird, ist dem Arzt egal. Doch es müsse wegen der Patientenakte immer der gleiche Name genannt werden. dpa/sh
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