Pressestimmen zu Kindermörder Gäfgen: "3000 Euro für so einen?"
Der verurteilte Kindermörder Magnus Gäfgen erhält Schmerzensgeld. Nach dem Urteil des Landgerichts Frankfurt ist das Medienecho groß.
Westfälische Anzeiger Hamm: " ...Dass viele Menschen dieser Logik nicht mehr folgen können, muss die Justiz nachdenklich machen. Es geht nicht um 3.000 Euro, sondern ums Prinzip. Am Ende eines solchen Falls muss immer klar bleiben, dass jemand zu allererst Täter war und nicht Opfer."
Nürnberger Nachrichten: "'Die Würde des Menschen ist unantastbar': Mit diesem Kernsatz beginnt unser Grundgesetz. Gäfgen hat nicht nur die Würde von Menschen verletzt, er hat ein Kind eiskalt ermordet. Dafür wurde er bereits hart bestraft. Doch die Menschenrechte auch des Mörders Gäfgen bleiben unantastbar. Wäre es anders, müsste man sich Sorgen um den Rechtsstaat machen."
Neue Westfälische (Bielefeld): "Nein, es ist kein Skandalurteil! Das Frankfurter Landgericht hat Recht gesprochen - wie es sich in einem Rechtsstaat gehört. Es dreht einem in diesem Fall den Magen um, aber jeder Straftäter, auch wenn er ein unvorstellbar grausames Verbrechen an einem Kind begangen hat, ist nach den Maßstäben unserer Gesetze zu behandeln und zu verurteilen..."
Frankfurter Rundschau: "Der Mann hat ein Kind entführt und getötet. Er hat viel Schlimmeres getan, als ihm selbst widerfuhr. Er, der Mörder, musste nicht mehr als die Drohung eines Polizisten ertragen, ihm Schmerzen zuzufügen. 3.000 Euro für so einen? Und doch ist es eine gute Nachricht. Der Polizist hat das Unantastbarste verletzt, was der Staat, den er vertrat, garantiert: die Menschenwürde. Ihre Geltung erweist sich gerade in schwierigen Situationen - also etwa dann, wenn es um die vielleicht noch mögliche Rettung eines anderen Menschen geht.Gäfgens Strafurteil hat dem Recht, auch dem des Opfers und seiner Angehörigen, Genüge getan. Leider zu spät. Die Menschenwürde aber kann und darf selbst ihm deshalb niemand nehmen."
Kölner Stadt-Anzeiger: "Für den Zivilprozess hatten die Richter einen Gutachter beauftragt. Der stellte bei Gäfgen zwar eine erkennbare Traumatisierung fest. Doch habe diese andere Ursachen als die Umstände bei der Vernehmung. Die Erinnerung an den qualvollen Tod seines Opfers sei die am stärksten belastende Erfahrung gewesen. Gäfgen hatte angeben, unter Alpträumen zu leiden, unter anderem werde er im Traum vom Anblick des kleinen Jakob heimgesucht. Der Zynismus in dieser Behauptung verwundert keinen, der seinerzeit den Strafprozess in Frankfurt beobachtet hat: einen seelisch so verrohten Angeklagten, der vor allem Mitleid mit sich selbst hat, erlebt man selten. Ein Alptraum muss das Urteil des Landgerichts für die Familie von Metzler sein. Inzwischen steht der Fall Gäfgen für die Widersprüche, die zwischen Recht und Rechtsempfinden klaffen."
Stuttgarter Zeitung: "Das selbstgerechte Auftreten des Mörders, das Erinnern an das Leid des Opfers, das Mitgefühl für die von Gewissensnöten geplagten Polizisten - all dies ruft den Reflex hervor: keine Gnade, erst recht keine Entschädigung für solch einen Mann. Aber im Rechtsstaat haben vor dem Gesetz alle gleich zu sein. Auch der schlimmste Verbrecher hat Rechte, hat Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde. Die Androhung von Gewalt durch die Polizisten war Folter. Sie ist verboten, ohne Ausnahme. Wenn einem Bürger durch den Staat Unrecht geschieht, kann er Anspruch auf Entschädigung erheben. Dies gilt für jedermann - selbst für Mörder."
Die Welt: "Dieses Urteil hat eine politische Dimension. Die Entschädigung wegen Folterandrohung für einen verurteilten Kindesmörder hat den Ruch der Volksferne, der Verstrickung von Juristen in ein Paragrafenwerk, das kein normaler Mensch mehr versteht. Solche Urteile können erhebliche Probleme für den Rechtsstaat schaffen, wenn sie falsch aufgefasst werden. Dabei ist der Richterspruch im Prinzip richtig. Magnus Gäfgen bekam kein Schmerzensgeld - das hat das Landgericht Frankfurt ausdrücklich abgelehnt. Es wäre auch der Hohn schlechthin gewesen, wenn es anders entschieden hätte. Magnus Gäfgen hat sich um den Schmerz seines Opfers und dessen Eltern nicht gekümmert. Erst als es um ihn selber ging, entwickelte er Mitleid. Das ist charaktertypisch für solche Menschen. Rechtlich belohnen darf man es nicht. Was Gäfgen nun bekommt, ist eine knappe Entschädigung dafür, dass sein Erstvernehmer das staatliche Folterverbot ignoriert hat. Die Entschädigung bekommt Gäfgen nicht in Anerkennung des Mordes, sondern als Mensch, der er für den Rechtsstaat bleibt und bleiben muss..." dapd/AZ
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