Prozess um Amokfahrt in Heidelberg - Täter schuldunfähig?
Ein möglicherweise schuldunfähiger Mann tötet und verletzt mit dem Auto gezielt Passanten. Die Opfer hoffen, vor Gericht etwas zum Motiv des Beschuldigten zu erfahren.
Sechs Monate nach der tödlichen Amokfahrt in eine Menschenmenge in Heidelberg hat mit der Verlesung der Anklage der Mordprozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Der 35 Jahre alte Deutsche sei mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen Schutzlose vorgegangen und habe deren Tod in Kauf genommen, sagte Staatsanwältin Christiane Vierneisel am Dienstag vor dem Landgericht Heidelberg. Er soll am 25. Februar auf dem belebten Bismarckplatz mit einem Mietauto einen Passanten getötet und zwei weitere Menschen verletzt haben (Az.: 6 Ks 200 Js 4374/17).
Der Angeklagte sei allerdings wegen einer paranoiden Schizophrenie unfähig, sein Handeln zu steuern und daher schuldunfähig, sagte Vierneisel. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Unterbringung des Mannes in einem psychiatrischen Krankenhaus. Richter Edgar Gramlich schloss anschließend auf Antrag der Verteidigung die Öffentlichkeit aus. Bei dem sogenannten Unterbringungsverfahren ist aber die Urteilsverkündung öffentlich, sie könnte am 12. September sein.
Begleitet von großem Medieninteresse war der hochgewachsene Angeklagte im dunklen Sakko und mit weißem Hemd zum Auftakt vor der Schwurgerichtskammer erschienen. Die Anklage lautet auf Mord in Tateinheit mit versuchtem Mord in drei Fällen und mit Körperverletzung in zwei Fällen. Den Ausführungen des Gerichts folgte der in Worms geborene Mann, zunächst in Handschellen, weitgehend regungslos. Drei Polizisten saßen in seiner Nähe.
Die Tat vom Fastnachtssamstag hatte Spekulationen über einen möglichen terroristischen Hintergrund ausgelöst. Der Anschlag mit einem Lastwagen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt lag damals erst einige Wochen zurück. Der Staatsanwaltschaft Heidelberg zufolge stützten die Ermittlungen eine solche Theorie aber nicht.
Täter erleidet Bauchdurchschuss - und kommt in Psychiatrie
Auf dem Bismarckplatz hatte der Wagen die Opfer mit etwa 20 Stundenkilometern erfasst. Nach der Tat floh der Fahrer zu Fuß, mit einem Küchenmesser mit 15 Zentimeter langer Klinge bewaffnet. Als ihn Polizisten stellten, weigerte er sich, aufzugeben. "Er zeichnete sich mit dem Finger ein Kreuz auf die Stirn, nahm den Arm vor das Gesicht und rannte auf den Polizeibeamten los", sagte Anwältin Vierneisel.
Ein Polizist feuerte daraufhin, der mutmaßliche Täter erlitt einen Bauchdurchschuss und musste notoperiert werden. Der vollbärtige Mann ist derzeit im Psychiatrischen Zentrum in Wiesloch untergebracht.
"Bei Schuldunfähigkeit kommt die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht in Betracht", sagte der Anwalt Silvio Käsler. Der Jurist vertritt in der Nebenklage die Schwester des getöteten Opfers sowie eine Geschädigte, die ebenfalls von dem Auto erfasst worden war.
Käsler zeigte sich erleichtert, dass das Gericht vier Angehörigen des 73 Jahre alten Todesopfers erlaubte, trotz Ausschluss der Öffentlichkeit im Saal zu bleiben. "Ich bin froh, dass den Menschen, die am engsten mit dem Opfer verbunden waren, die Möglichkeit gegeben wird, den Prozess zu verfolgen." Angehörige und Geschädigte hoffen, im Prozess auch etwas zur Motivlage des Beschuldigten zu erfahren.
Das Gericht betonte, es bestehe zwar ein allgemeines Interesse an der Verhandlung. Die Abwägung sage aber, dass Zuschauer und Journalisten ausgeschlossen werden sollten. Am Dienstag sollten mehr als zehn Zeugen gehört werden. Bis Mitte September sind noch drei Termine geplant.
AZ/dpa
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