Geht Stuttgart 21 das Geld aus?
Das gigantische Bahnprojekt Stuttgart 21 könnte weit teurer werden als gedacht. Wer dann zahlt, ist völlig unklar. Gegner des Vorhabens hoffen auf eine neue Mobilisierungswelle.
Beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 wechseln sich derzeit Hiobsbotschaften mit Nachrichten über Fortschritte im schnellen Wechsel ab. Am Samstag wollen die Gegner des unterirdischen Bahnhofs wieder einmal mit einer größeren Demonstration für den Ausstieg werben, den sie trotz der schon ausgegebenen Milliarden noch immer für möglich und zwingend halten. Mit 3000 bis 5000 Unterstützern für das Motto „Umstieg 21“ rechnet ihr Sprecher Matthias von Herrmann. Kurz zuvor konnte die Projektgesellschaft über eine wichtige Teilgenehmigung zum Anschluss des Stuttgarter Flughafens jubeln. Projektchef Manfred Leger geht davon aus, dass damit die Inbetriebnahme wie geplant 2021 möglich ist.
Aktionsbündis rechnet mit Scheitern von "Stuttgart 21"
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat gestern ein Konzept für die Beibehaltung des alten Kopfbahnhofs präsentiert. „Wir rechnen sicher mit einem Scheitern von Stuttgart 21“, sagt Bündnissprecher Norbert Bongartz. Das Projekt stehe auf tönernen Füßen, es gebe ungelöste technische Probleme und die Finanzierung sei nicht geklärt. Der Architekt Peter Dübbers, dessen Großvater den denkmalgeschützten Bahnhof vor knapp 100 Jahren gebaut hat, präsentiert detailverliebt die Vorschläge. In der ausgehobenen Baugrube für den Tiefbahnhof sollen ein Fernbushalt, Parkplätze und eine Radstation samt Werkstatt untergebracht werden. Weniger präzise sind die Kalkulationen. 3,5 Milliarden Euro würde das alles in allem kosten, meint Bongartz. So könnte man ja aber gut sechs Milliarden Euro einsparen.
Die Gegner erhoffen sich neuen Zulauf durch die wieder aufgeflammte Grundsatzdiskussion. Zu den wöchentlichen Montagsdemonstrationen – die 330. steht nächste Woche an – kommen nur noch einige Hundert Aktivisten. Da sind für von Herrmann das im Hausgebrauch entwickelte Umstiegskonzept und die Berichte über Kostensteigerungen ein willkommener Mobilisierungsfaktor. Erst kürzlich sorgten Berichte in den Stuttgarter Zeitungen für Aufregung. Danach soll der Bundesrechnungshof inzwischen von tatsächlichen Kosten bis zu zehn Milliarden Euro ausgehen. Als Quelle für die Informationen wurden allerdings „politische Kreise“ genannt, ein Beleg oder auch nur ein Zitat fehlte.
Vorstand will mit Sparmaßnahmen Geld wieder hereinholen
Prompt tat die Bahn die Zahl als „nicht belastbar“ ab. Sogar der Autor der Berichte räume ein, es sei nicht gesichert, „dass der möglicherweise einmal veröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofs eine Kostenschätzung über zehn Milliarden enthält“, kritisierte ein Sprecher. Für die Bahn hat sich an der von Vorstandsmitglied Volker Kefer Ende Juni bekräftigten Zahl von 6,526 Milliarden Euro nichts geändert. Die Gegner allerdings sehen sich von den Prüfern bestätigt, hatten doch ihre Gutachter aus dem Münchner Büro Vieregg/Rösler schon Ende letzten Jahres die Realisierungskosten auf zehn Milliarden hochgefahren. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nannte das „nicht ganz unrealistisch“. Kefer musste jedoch in der letzten Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats zugeben, dass der vertraglich fixierte Finanzrahmen durch bereits eingetretene Kostensteigerungen und absehbare Risiken praktisch ausgeschöpft ist. Der noch vorhandene Spielraum von 15 Millionen Euro ist bei einer Gesamtsumme von 6,5 Milliarden eher symbolisch. 524 Millionen will der Vorstand durch Sparmaßnahmen rechnerisch wieder hereinholen – sagt aber bisher nicht wo. Derzeit läuft eine Sonderprüfung durch zwei externe Beratungsfirmen.
Den größten Anteil zahlt die Bahn
Dabei enthält der aktuell geltende Finanzrahmen einen politischen Sprengsatz. In den Verträgen von 2009 sind von den 6,5 nur 4,5 Milliarden Euro fest gesichert. 930 Millionen Euro steuert das Land Baden-Württemberg bei. „Wir zahlen keinen Cent mehr“, betont Hermann immer wieder und hat das auch im neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrag festschreiben lassen. Auf 1,2 Milliarden Euro beziffert das Bundesverkehrsministerium den Anteil des Bundes. Der größte Brocken bleibt bei der Bahn hängen. Für den Fall, dass die Ausgaben über die 4,5-Milliarden-Linie steigen, haben die Projektpartner lediglich eine „Sprechklausel“ vereinbart. Durch Gespräche soll die Verteilung der zusätzlichen Ausgaben, die der Aufsichtsrat der Bahn dem Vorstand bisher nur als Vorschuss genehmigt hat, geregelt werden. Alle beharren unisono auf ihrer Position, dass sie keine weiteren Lasten übernehmen. Dabei ist es eigentlich höchste Eisenbahn für eine tragfähige Regelung. Rund um den Bahnhof und für die vielen Tunnel im Stadtgebiet sind inzwischen Aufträge für 3,3 Milliarden Euro vergeben. Beim aktuellen Bautempo sind 2019 alle Finanztöpfe geleert.
Deshalb fürchten viele Verkehrspolitiker in anderen Bundesländern, dass Stuttgart 21 zu ihren Lasten gehen könnte. Insgeheim mag mancher hoffen, dass die Gegner sich doch noch durchsetzen und das Projekt abgeblasen wird.
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