In Venezuela droht ein Bürgerkrieg
Am Sonntag könnte die Lage eskalieren
Nicolás Maduro ist ein Meister der Inszenierung. Der Präsident Venezuelas steht, natürlich im roten Hemd, auf der Bühne der Avenida Bolívar, nimmt ein Fernglas und schaut auf die Massen in Rot. Die Botschaft: Wir sind viele, die Mehrheit, im Kampf gegen einen Putsch von rechts. Doch der Schein trügt. Andere Bilder aus umliegenden Hochhäusern zeigen, dass die Masse gar nicht so groß ist. Es ist die Abschlusskundgebung für eine Wahl am Sonntag, die bereits zu Hamsterkäufen geführt hat.
Maduro will die Verfassung ändern lassen, viele fürchten den Umbau zur Diktatur. Die Wahl könnte der Funken sein, der das Pulverfass Caracas endgültig explodieren lässt. Seit rund 120 Tagen wird gegen Maduro demonstriert. Die dramatische Bilanz: 105 Tote, tausende Verletzte. 232000 Soldaten sind zum Einsatz gerufen worden, 500000 regierungstreue Milizen hat er bewaffnen lassen. Das Land steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Dabei verfügt Venezuela über die größten Ölreserven der Welt. Der Präsident verließ sich allein auf das Ölgeschäft, daher kommen 95 Prozent der Exporteinnahmen. Als der Preis auf zeitweise 30 US-Dollar abrutschte, wurde das zum Fluch.
Am Sonntag werden die 545 Mitglieder gewählt, die die neue Verfassung erarbeiten sollen. Per Dekret hat der Mann mit dem Schnauzer festgelegt, dass die Mehrheit „Volksvertreter“ sein sollen, die den Sozialisten nahestehen. Auch seine Frau Cilia Flores steht dabei zur Wahl. Maduro hat nicht das Charisma des 2013 verstorbenen Hugo Chávez, genießt aber bei den Armen, die durch die Sozialisten erstmals echte Unterstützung erfuhren, viel Rückhalt. Aber da der Bolivar massiv an Wert verliert und hohe Schulden zu bedienen sind, fehlen Gelder, um Lebensmittel- und Medizinimporte zu bezahlen. Auf den Müllkippen um Caracas sind in der Abenddämmerung hunderte Menschen zu sehen, die mit der einen Hand im Müll nach Essen suchen und mit der anderen die Geier verscheuchen. Georg Ismar, dpa
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