Glosse: Warum Löw keine Stürmer braucht
Jogi Löw hat nur einen Stürmer im WM-Kader aufgestellt: Miroslav Klose. Warum ihm das reichen könnte.
Ganz am Anfang wollen alle Stürmer sein. Verständlich. Wenn der junge Mensch zum ersten Mal in seinem Leben gegen den Ball tritt, dann kennt er nur ein Ziel: Das Runde muss ins Eckige.
Dem Anfänger tiefer gehende taktische Konzepte, wie die Viererkette oder die Doppel-Sechs, zu vermitteln, dafür ist es noch entschieden zu früh.
Wenn kleine Mädchen und Buben Fußball spielen, ist Rudelbildung angesagt. Mitten drin im Haufen eifriger Nachwuchskicker: der Ball. Glücklich, wer es schafft, gegen ihn zu treten. Überglücklich, wem es gelingt, ihn ins Tor zu bugsieren.
Die ersten Jahre seines Fußballer-Lebens verbringt der Mensch ganz im Glauben, dass es wichtigstes und einziges Ziel dieses Spiels sei, Tore zu erzielen. Erst im Laufe der Jahre dämmert im Jugendlichen die Erkenntnis: Es ist auch durchaus von Nutzen, Tore des Gegners zu verhindern.
Manchem Spieler bleibt diese Einsicht allerdings bis ins hohe Erwachsenenalter hinein verschlossen. Beziehungsweise: Er fühlt sich von diesem Aspekt des Fußballspiels nicht angesprochen. Das sind die Akteure, die „Vollblutstürmer“ genannt werden wollen, die die Nummer neun auf dem Rücken eintätowiert haben und die es strikt ablehnen, während des Spiels die eigene Hälfte des Feldes zu betreten.
Im modernen Fußball kommen solche Typen nicht mehr groß heraus. Ihre Karriere endet meist schon in der Kreisliga. Denn heutzutage sieht ein Trainer in einem Stürmer nur den ersten in einer Reihe von Verteidigern. Defensivarbeit heißt das schreckliche Wort, welches den Blutdruck der „Vollblutstürmer“ in die Höhe treibt.
Das Credo des modernen Fußballs
Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Titel – so lautet das Credo des modernen Fußballs. Joachim Löw hat also bei der Auswahl seiner Spieler für die WM in Brasilien alles richtig gemacht. Deutschland ist auf dem besten Wege zum WM-Titel.
Den Anteil der „echten“ Stürmer hat Löw in seinem Aufgebot konsequent auf die Zahl eins minimiert. Und dieser eine Stürmer ist demnächst 36 Jahre alt und wurde zuletzt von manchem Zipperlein geplagt. Mit anderen Worten: Kann gut sein, dass es Miroslav Klose nur selten auf den Platz schafft.
Eine stürmerlose Mannschaft – ideale Voraussetzung für den WM-Sieg. Wenn es irgendwann noch gelingt, bereits unseren allerjüngsten Fußballern den Tordrang auszutreiben und sie zu Defensivkünstlern zu erziehen...
Frei nach Franz Beckenbauer sollte dann gelten: Es tut uns leid für den Rest der Welt, aber dieses Deutschland ist auf Jahre hinaus unschlagbar.
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