Fachkräfte werden dringend gesucht
Rainer Brüderle lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Facharbeitermangel in Deutschland verstärken wird. Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass es tatsächlich schon jetzt Engpässe gibt - und nicht nur Ingenieure werden gesucht. Von Kathrin Feulner
Rainer Brüderle lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Facharbeitermangel in Deutschland verstärken wird. Mit seinem Vorschlag, eine "Lockprämie" für ausländische Arbeitskräfte einzuführen, hat der Bundeswirtschaftsminister deutschlandweit eine hitzige Debatte über Ausbildung und Zuwanderung losgetreten (wir berichteten). Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass es tatsächlich schon jetzt Engpässe gibt, vor allem im "MINT"-Bereich, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Besonders groß ist die Nachfrage nach Elektroingenieuren. Im Juni kamen hier im Schnitt zwei Arbeitslose auf eine gemeldete offene Stelle. Das klingt zunächst unproblematisch, doch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt vor voreiligen Schlüssen: Die regionale Entfernung müsse ebenso berücksichtigt werden wie die oft fehlende Übereinstimmung bei den Qualifikationen. Dann sei es "ganz offensichtlich, dass eine erfolgreiche Stellenbesetzung mit Arbeitslosen in vielen Fällen nicht gelingen wird".
Schleifer und Schweißer gesucht
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) nennt eine Zahl von 35 000 Stellen, die derzeit nicht besetzt werden könnten - Tendenz steigend. "Spezialisten aus dem Ausland zu holen, ist eine Teillösung für dieses Problem", meint VDI-Sprecher Marco Dadomo. Die "Lockprämie" lehnt er allerdings ab. Viel wichtiger seien, auch im Hinblick auf konkurrierende Staaten wie England, Frankreich oder Spanien, attraktive Rahmenbedingungen. Gleichzeitig müsse jungen Deutschen der Beruf des Ingenieurs schmackhaft gemacht werden, "vor allem auch den Frauen, die sich im Moment noch ein bisschen scheuen". In vielen anderen Branchen wird mittlerweile ebenfalls händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht. Über das Jahr 2010 hinaus erwartet fast jedes dritte Unternehmen einen Engpass bei beruflich ausgebildeten Fachkräften, jedes vierte bei Mitarbeitern mit einer abgeschlossenen Fortbildung und jedes fünfte bei Hochschulabsolventen. Das ergab eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums.
Kurt Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit kennt die Problem-Sparten: "Im vergangenen Jahr wurden am meisten in den Metall verarbeitenden Berufen Arbeitskräfte gesucht, also Dreher, Schleifer, Schweißer oder Schlosser." Hoch sei die Nachfrage auch nach IT-Fachkräften, Sozialarbeitern, Erziehern "und sogar Lehrern".
Weiter gebe es zu wenige Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte. Insbesondere in diesen Bereichen wird es nach Ansicht der Arbeitgeber schwer, die wachsende Nachfrage allein durch mehr Aus- und Weiterbildung zu decken: In den kommenden zehn Jahren werde mit einem Zusatzbedarf von rund 50 000 Fachkräften im stationären und fast 30 000 im ambulanten Bereich gerechnet. Insgesamt könnten aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland bis 2030 etwa 5,2 Millionen Arbeitskräfte fehlen, davon 2,4 Millionen mit Hochschulabschluss. Doch während die Arbeitgeberverbände eine stärkere Öffnung des Arbeitsmarktes für Zuwanderer befürworten, ist das für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) keine Lösung.
Zwar spielt die drohende Fachkräftelücke nach Einschätzung des ZDH-Sprechers Alexander Legowski auch eine Rolle, jedoch: "Man kann vielleicht einen Ingenieur aus Indien holen, aber keinen Handwerksmeister." Aus diesem Grund setze das Handwerk auf den EU-Raum und auf gezielte Nachwuchsförderung. Legowski weiß, wo der Schuh drücken könnte: "Zulieferbetriebe im Auto- und Maschinenbau, anspruchsvolle Bauleistungen und Medizintechnik." Denn die Zahl der guten Schulabgänger sinke, und der Konkurrenzkampf mit Industrie und Büroberufen sei groß. Bis 2013 wird die Zahl der Schulabgänger in Bayern um 20 Prozent zurückgehen, das sind 28 000 Berufsanfänger weniger als heute. Sybille Bauer von der IHK Oberbayern glaubt, dass es die stark wachsende Region extrem treffen wird: "Uns fehlen schon jetzt Bewerber für Ausbildungsplätze - und das sind die Fachkräfte von morgen." Von Kathrin Feulner
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