Wir und das Auto: Das Ende des großen Freiheitsversprechens?
Ist da was am Kippen? Schon vor der Diesel-Affäre zeichnete sich eine Art Identitätskrise des Automobils ab. Zeit für eine Hauptuntersuchung
Vor uns lag noch ein längerer Weg. Uns sollte es recht sein. Der Weg ist das Leben.“ – Wer in der Provinz aufgewachsen ist, auf dem Land und vor allem vor dem ganzen Digitalisierungsgedöns, der Energiewende, dem Dieselsterben und dem generellen Misstrauen gegenüber allem, was stinkt, der weiß vielleicht noch um das Freiheitsversprechen, das da plötzlich in der Hofeinfahrt stand.
Mein erstes Auto war ein roter Golf, die hie und da bereits nachgebesserte Lackierung war fast schon genauso ausgeblichen wie der Aufkleber einer Pizzeria in den italienischen Landesfarben hinten am Heck, im Inneren roch es noch ein bisschen nach dem Vanillebaum des Vorbesitzers, und: er war tiefergelegt. Letzteres erfuhr ich erst aus dem Fahrzeugschein und es war ein bisschen peinlich, schließlich hatten in der Provinz, auf dem Land fast alle Golfs, tiefergelegte aber nur knapp die Hälfte, nur die vermeintlichen Prolls, doch egal: Dieses Gefährt, das ja vom Wortstamm her nur einen Buchstaben neben dem Gefährten liegt, sollte einen ja genau deswegen fortbringen, weg, wenn schon nicht gleich ins Leben wie im Eingangszitat von Jack Kerouac, dem Dichter von „On the Road“, so doch mindestens bis zum über-, ach was, überübernächsten Baggersee, von wo aus man die Bretagne, den Atlantik, das andere schon ahnen konnte.
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»Aber was da mittlerweile alles in Autos mit dem Stromverbrauch bald eines Singlehaushalts verbaut wird, deutet doch eher auf eine Art Identitätskrise hin, [...] Stattdessen werden Massage-Sitze, Entertainment-Systeme, „Ambient-Lights“ und sonstiger Schnickschnack verbaut, als handele es sich um ein Wohnzimmer. Wer das alles braucht? Keine Ahnung, dahinter aber steckt die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, den Anschluss zu verpassen.«
Lustig. So was ähnliches hat ein gewisser Frederic Fester schon Anfang der 90er geschrieben. (In seinem Buch »Ausfahrt Zukunft«.) Dass das Auto zunehmend Dinge erledigt, die eigentlich gar nichts mehr damit zu tun haben, von A nach b zu kommen. Mehr wie ein Lifestyle-Objekt, statt wie ein Fahrzeug. Aber: Der Kunde kauft den Ramsch ja.
»Denn neben besagten Imageproblemen [...] ist es ja vor allem der allgemeine Umbruch im Individualverkehr, der gerade den deutschen Konzernen Kopfschmerzen bereitet:«
Auch schon vor 30 Jahren beschrieben, und bereits als Warnung an die Automobilhersteller herangetragen: Hört auf euch auf eine Sparte im Mobilitätsbereich zu beschränken. Stellt euch weiter auf. Versteht euren Auftrag nicht darin, Autos in allen möglichen Formen und Geschmacksrichtungen herzustellen, sondern Mobilitätsbedürfnisse durch maßgeschneiderte Mobilitätslösungen zu befriedigen. Wenn das nicht das Auto ist, soll das nicht das Problem sein. Man kann auch wunderbar anders die Probleme der Menschen lösen und viel Geld damit machen. Egal wie die Mobilität sich entwickeln wird, ihr habt immer gewonnen, weil ihr eben all das liefert, was man braucht. So die Hinweise damals.
Was haben wir stattdessen bekommen? 2 Tonnen schwere Autos, die Saufen wie die Löcher und kaum noch in die Parklücke passen, oder die Garage oder das Parkhaus. Senioren- und Versehrten-Fahrzeuge (SUV)s. Die im Stau noch viel mehr Platz verbrauchen und das Problem noch verschärfen. Schöne neue Welt. Aber: Die Leute kaufen es.
»Die Grünen verhalten sich in diesem Wahlkampf angesichts der Diesel-Affäre und den daraus zu ziehenden Konsequenzen merkwürdig verzagt, fordern zwar das Ende des Verbrennungsmotors, aber doch nicht so laut, dass es zu viele Halbhöhen-Bewohner in Stuttgart, die mit ihrem SUV zum Alnatura-Laden fahren, verschrecken könnte.«
Das ist doch auch schon länger keine Neuigkeit mehr. Die Grünen sind schon lange keine Öko-anti-Auto-Partei mehr. Die wurden schon längst so weit »gerade gebogen«, dass man sie am besten als die 3-Liter-Auto-Partei bezeichnen könnte. Eine Abkehr vom Stinkeblech (auch das, dessen Auspuff der Schornstein vom Kohlekraftwerk ist) ist auch bei denen nicht ernsthaft Thema.
»Und vielleicht ist ja angesichts rammelvoller Städte und verstopfter Autobahnen die ganze Idee, Menschen auf diese Weise zu bewegen, eine überkommene.«
So schauts doch wohl aus. Wer mir einen vorlügt, dass er den Feierabendverkehr durch Augsburg City mit dem Auto schneller als mit dem Rad (oder Bus) erledigt, den kann ich nur auslachen. Da wird das Fahrzeug jeden Nachmittag zum Schleich- und Stehzeug degradiert, weil alle meinen: »Sollen doch erst mal die anderen umsteigen, ich habs ganz wichtig und muss das jetzt mit dem Auto machen«. Na dann steht halt weiterhin im Stau. Nur eins nicht vergessen: Ihr seid der Stau. Nicht nur all die anderen vor euch... Und entspannt sieht auch anders aus. Und Freiheit auch.