Ex-Chefarzt vor Gericht: Hat er Patientinnen sexuell missbraucht?
Die Anklage sagt: Es war sexueller Missbrauch. Der Mediziner sagt: Es waren nachvollziehbare Untersuchungen. Die Aufarbeitung des Bamberger Klinikskandals dürfte langwierig werden.
Er galt als anerkannter Experte auf seinem Fachgebiet, als ein erfolgreicher Chefarzt, den seine Kollegen als sympathisch beschrieben haben. Doch hinter dieser Fassade, so glaubt die Staatsanwaltschaft, verbarg sich ein Krimineller, der wehrlose Frauen missbraucht hat.
Vom kommenden Dienstag, 7. April, an steht der Mediziner in Bamberg vor Gericht. Der Vorwurf: Er soll junge Frauen unter dem Vorwand einer medizinischen Studie am Klinikum Bamberg mit Medikamenten ruhiggestellt und sich dann an ihnen vergangen haben. Angeklagt ist er wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung.
Der 49-Jährige selbst sieht die Sache völlig anders. "Er stellt weiterhin klar, dass die Vorgänge seitens der Staatsanwaltschaft falsch aufgefasst wurden", sagt einer seiner Anwälte, der Bamberger Verteidiger Dieter Widmann. Es habe medizinische Gründe für das Vorgehen seines Mandanten gegeben, Details werde man in der Hauptverhandlung erläutern. "Er weist eine sexuelle Motivation weit von sich."
Eine Medizinstudentin bringt im Sommer vergangenen Jahres den Stein ins Rollen. Sie wird misstrauisch, als sie von dem Chefarzt in der Zeit ihres Praktikums zur Untersuchung gebeten wird - es soll um eine Studie über Krampfadern gehen. Sie bekommt eine Spritze. Sie wird bewusstlos. Danach geht sie in eine andere Klinik und lässt ihr Blut untersuchen. Sie hatte ein starkes Beruhigungsmittel bekommen. Sie erstattet Anzeige.
Die Ermittler finden beim Angeklagten unzählige Fotos, die das Geschehen dokumentieren. Mindestens zwölf weiteren Frauen soll es so ergangen sein wie der Studentin. Sie treten als Nebenklägerinnen in dem Prozess auf. Zehn mutmaßliche Opfer waren Patientinnen im Klinikum, zwei Mitarbeiterinnen. Eine Frau stammt aus dem privaten Umfeld des Arztes. An die Patientinnen und Mitarbeiterinnen zahlt der Klinikbetreiber, die Bamberger Sozialstiftung, je 15 000 Euro - unabhängig davon, wie der Fall nun vor Gericht bewertet wird, wie Stiftungschef Xaver Frauenknecht betont.
Missbrauchsprozess ums Klinikum Bamberg: 50 Zeugen geladen
Er legt Wert darauf, dass es sich um "die Tat eines Einzelnen" handele. Die Sozialstiftung, die auch Träger von Alten- und Pflegeeinrichtungen ist, gehe mit dem Thema Missbrauch verantwortungsvoll, ernsthaft und sensibel um - und habe das auch schon vor dem Skandal gemacht.
Der Strafkammer am Landgericht Bamberg unter dem Vorsitz von Richter Manfred Schmidt steht ein aufwendiger Prozess bevor. 50 Zeugen sind geladen, dazu sechs Sachverständige, die medizinische Fachfragen klären und die Schuldfähigkeit des Angeklagten prüfen sollen. Zwölf Verhandlungstage sind zunächst angesetzt. Mit einem Urteil ist im Mai zu rechnen.
Das Klinikum hat nur wenige Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe dem Chef der Klinik für Gefäßchirurgie gekündigt. Seine Taten soll er von September 2008 bis Juli 2014 in dem Krankenhaus begangen haben. dpa
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