Was hat der Lindauer Verein Exilio zu verbergen?
Der Lindauer Verein Exilio duldet keine kritischen Äußerungen und schildert Projekte auf dem Papier anders. Nicht nur Mitglieder haben deshalb ihr Vertrauen verloren.
Bei Exilio geht es ums Helfen. Diesen Eindruck vermittelt der Lindauer Verein auf seiner Homepage. Der Vereinszweck „Hilfe für Migranten, Flüchtlinge und Folterüberlebende“ hat einst viele Menschen überzeugt: Mitarbeiter, Vereinsmitglieder, ehrenamtliche Helfer, Förderer. Und natürlich Flüchtlinge. Viele von ihnen haben längst ihr Vertrauen verloren.
Recherchen unserer Zeitung und der SüddeutschenZeitung bestätigen – wie berichtet – eine Reihe von fragwürdigen Geschäftspraktiken, die weit in die Vergangenheit reichen. Was hat der Verein, der nach Angaben seines Anwalts 800 Asylbewerber betreut, zu verbergen? Der ehemalige Exilio-Vorsitzende Dietmar Stoller, der nach monatelangen quälenden Auseinandersetzungen mit Geschäftsführerin Gisela von Maltitz sein Amt abgab, bekam – wie andere Kritiker des Vereins auch – Post vom Exilio-Anwalt „mit genauen Anweisungen, was ich zu sagen und nicht zu sagen hätte“.
Stoller und weitere Mitglieder hatten die Intransparenz des Vereins, der damals mit sechsstelligen Summen jonglierte, nicht mehr hinnehmen wollen.
„Es war nicht klar nachzuvollziehen, ob Fördergeld zum eigentlichen Zweck genutzt wurde. Von mir hat man erwartet, dass ich einfach unterschreibe“, erzählt der Lindauer und nennt als Beispiel den Förderantrag für ein EU-Projekt, das mehr als eine halbe Million Euro umfasste und über das er sich zu wenig informiert fühlte. Die Mitgliederversammlung, bei der er zurücktrat, nennt er „geschickt manipuliert“.
Vor dieser Sitzung am 30. Juli 2007 seien viele Personen dem Verein beigetreten, die zur Versammlung dann nicht kamen. Stattdessen ließen sie sich per Vollmacht vertreten – vor allem vom Ehemann und vom Sohn der Geschäftsführerin.
Die Familie von Maltitz vereinte 24 von insgesamt 49 Stimmen auf sich. Eine ganze Reihe von Mitgliedern wandte sich anschließend enttäuscht vom Verein ab. Heute hat dieser laut von Maltitz noch 19 Mitglieder. Unsere Zeitung hat anhand von Unterlagen und Informanten versucht, die Verwendung von Fördergeld nachzuvollziehen – nachdem Exilio auf Fragen nach der Finanzierung nur vage antwortet.
"Aktion Mensch" schließt Exilio von der Förderung aus
Für ein Projekt mit dem Namen „Sternschnuppen“ bezahlte die Hilfsorganisation „Aktion Mensch“ 2010 insgesamt knapp 175.000 Euro an Exilio, die Rudolf-Augstein-Stiftung steuerte 50000 Euro bei. Mit diesen Summen sollten Flüchtlingsfamilien mit Kindern bei Erziehung und psychosozialen Problemen unterstützt werden. Die Papiere zu diesem Projekt ließ die „Aktion Mensch“ vor einem Jahr prüfen und fand keinen Grund zur Beanstandung.
Dennoch werfen Zwischen- und Abschlussbericht Fragen auf. Dort ist etwa von enger Kooperation mit dem Kinderschutzbund Lindau und Lindenberg, dem Jugendamt und dem Lindauer Jugendhaus die Rede – deren Vertreter können sich jedoch an das Projekt nicht erinnern. Sie erklären einmütig, von Kooperation mit Exilio könne nicht die Rede sein. Die Sprecherin des Landratsamts Lindau sagt wörtlich: „Weder mit dem Jugendamt noch mit den Schulsozialarbeitern gab es zu irgendeinem Zeitpunkt in den vergangenen Jahren eine verlässliche Netzwerkbildung seitens Exilio. Eine koordinierte Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch Exilio war für uns zu keinem Zeitpunkt erkennbar.“ Selbst Austausch hätte Exilio verweigert.
Inzwischen hat die „Aktion Mensch“ reagiert: Sie hatte verlangt, dass Exilio die gemeinnützigen Aktivitäten strikt von den privaten Therapiepraxen des Ehepaars von Maltitz trennt. Die Verantwortlichen störten sich an der engen Verquickung. Tatsächlich schickt Exilio viele Flüchtlinge zu Axel von Maltitz, quasi „eine Tür weiter“, für Therapien und um Gutachten erstellen zu lassen.
Weil die Familie von Maltitz den Forderungen von „Aktion Mensch“ nicht nachkam, wurde Exilio im Juli von der Förderung ausgeschlossen. Der Aufforderung, die „Aktion Mensch“ von der Fördererliste der Homepage zu nehmen, ist Exilio bisher nicht nachgekommen.
Gartenprojekt von Exilio ohne nennenswerte Investitionen
Und dann ist da noch das Gartenprojekt. 1500 Euro hat die Stiftung Interkultur im Jahr 2010 für einen „interkulturellen Garten“ überwiesen, in dem Lindauer und Flüchtlinge gemeinsam säen und ernten sollten. Eine Auflistung des Bedarfs nennt Rasenmäher, Bänke, Sonnenschirme, Regentonne und Werkzeug neben Samen und Erde als Anschaffungskosten.
Der interkulturelle Garten, sagen zwei Lindauer, die daran beteiligt waren, habe nur kurze Zeit existiert. Nennenswerte Investitionen seien nie getätigt worden. Wohl hätten einige engagierte Leute begonnen, Beete anzulegen; nach zwei-, dreimaligem Werkeln jedoch hätten die Teilnehmer die Lust verloren.
Im Zwischenbericht, der an den Geldgeber ging, liest sich das anders: „Das Projekt ist als Erfolg zu bewerten, da die Gruppen sehr effektiv und harmonisch miteinander gearbeitet haben und sich gegenseitig unterstützten.“
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