Zschäpe vertraut Verteidigern nicht mehr - Platzt jetzt der Prozess?
Paukenschlag im NSU-Prozess in München: Die Angeklagte Beate Zschäpe hat ihren drei Verteidigern das Vertrauen entzogen - und will offenbar reinen Tisch machen.
Beate Zschäpe hatte sich am Mittag einem der Wachbeamten offenbart, der das Gericht über ihre Erklärung informierte. Die laufende Vernehmung des Zeugen Tino Brandt wurde abgebrochen. Der für Donnerstag anberaumte Verhandlungstermin entfällt. Die Termine für die kommende Woche hielt das Gericht zunächst aufrecht.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll sich Zschäpe mit ihren Verteidigern über die Frage ihres Aussageverhaltens uneins sein. Offenbar will sie sich im NSU-Prozess Fragen des Gerichts stellen. An den bisherigen 128 Verhandlungstagen schwieg sie aber konsequent. Erst, als der Richter sie fragte, ob der Wachbeamte ihre Misstrauensbekundung gegen ihre Anwälte dem Gericht korrekt geschildert habe, gab sie zum ersten Mal im Verfahren eine - wenn auch stumme - Antwort: Sie nickte.
Eine Sprecherin des Gerichts sagte, das Gericht werde jetzt prüfen, ob die Gründe Zschäpes stichhaltig seien. Außerdem müssten ihre Anwälte dazu schriftlich Stellung nehmen.
Anwälte sind Pflichtverteidiger
Zschäpes Verteidiger sind vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger. Sie kann sie darum nicht auf eigenen Wunsch entlassen. Vielmehr muss sie das Gericht überzeugen, dass das Vertrauensverhältnis tatsächlich zerrüttet ist. Sollte das Gericht Zschäpes Bekundung akzeptieren und ihre Verteidiger entpflichten, müssten neue Anwälte engagiert werden. Die aber bräuchten ausreichend Zeit, um sich in die umfangreichen Akten einzulesen. Länger als 30 Tage darf die Verhandlung aber nicht unterbrochen werden. Das Verfahren würde sonst platzen.
Die Alternative besteht nach Ansicht der Beteiligten darin, die bisherigen Pflichtverteidiger in ihrer Funktion zu belassen. Das Gericht sei keineswegs verpflichtet, Zschäpes Misstrauensbekundung zum Anlass für eine Entpflichtung zu nehmen. Dann allerdings bestehe das Risiko einer späteren Revision, sollte sich herausstellen, dass Zschäpe aufgrund des belasteten Verhältnisses nicht mehr nach den gesetzlichen Standards verteidigt würde._
Zschäpe wird bisher von drei Rechtsanwälten verteidigt, den beiden Kölnern Wolfgang Heer und Anja Sturm und dem Koblenzer Strafverteidiger Wolfgang Stahl. Die Rechtanwälte waren über Vermittlung eines Kollegen zur Verteidigung der mutmaßlichen Rechts-Terroristin gekommen. Als Beate Zschäpe sich nach dem Selbstmord ihrer Kameraden am 8. November 2011 stellte, ging sie in Begleitung eines ihr bekannten Anwalts zur Polizei in Jena. Der erkannte schnell, dass die Angelegenheit für ihn eine Nummer zu groß war und rief den Kölner Kollegen Wolfgang Heer an. Der wurde der erste Pflichtverteidiger Zschäpes.
Der Kölner Wolfgang Heer, 1973 geboren, ist seit 2004 als Anwalt zugelassen. Seine ersten größeren Prozesse führte er im Bereich Wirtschaftskriminalität. Er und Stahl kennen sich seit Jahren und haben schon öfter zusammengearbeitet. Stahl, 1972 geboren, verteidigte vor dem NSU-Prozess vor allem Wirtschaftsmanager. Seine Spezialität ist das Revisionsrecht.
Anja Sturm, Jahrgang 1970, hat schon mutmaßliche Mörder, Islamisten und Mafiosi verteidigt, aber der NSU-Prozess war und ist auch ihre größte Herausforderung. Nach dem Jura-Studium arbeitete sie unter anderem beim EU-Ministerrat in Brüssel und eröffnete eine Kanzlei in Berlin. Nach der Geburt von Zwillingen war sie von 2004 bis 2012 in einer bekannten Münchner Kanzlei tätig.
Die Neonazi-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" hatte neun Menschen ausländischer Herkunft und eine Polizistin ermordet. Zudem werden ihr zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Banküberfälle zur Last gelegt. Beate Zschäpe wird der Mittäterschaft an sämtlichen Verbrechen des NSU beschuldigt. AZ/dpa
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