Die Welt in 160 Zeichen
Vor 20 Jahren wurde die erste SMS verschickt. Heute hat die Kurznachricht Konkurrenz bekommen.
Neil Papworth hatte kein Problem, sich kurz zu fassen. Von 160 möglichen Zeichen nutzte der britische Software-Entwickler gerade einmal 15. „Merry Christmas“ tippte er auf seiner Computertastatur und sendete den verfrühten Weihnachtsgruß am 3. Dezember 1992 an das Handy eines Vodafone-Managers. Der Short Message Service, kurz SMS, war geboren.
Die zwei kurzen Worte ebneten den Weg zu einer neuen Kommunikationskultur. Menschen begannen, vieles in wenigen Worten zu sagen und dies auf noch weniger Buchstaben zu verknappen. HDL etwa übersetzt der geübte SMS-Schreiber mit „Hab dich lieb“, gn8 (Good night) mit „Gute Nacht“, aus einem Lächeln wird „:-)“. Während Wissenschaftler die Verarmung der Sprache beklagten, begannen Menschen, sich per SMS zu verabreden, Verliebte schickten sich Sehnsuchtsbotschaften und Prominente beendeten auf diese Weise Beziehungen.
Dabei überwog anfangs die Zahl der Skeptiker. Schließlich waren die Botschaften limitiert auf 160 Zeichen und mussten kompliziert über die Zehnertastatur des Handys eingetippt werden.
SMS zunächst kaum genutzt
„Tatsächlich wurde die SMS zunächst kaum von unseren Kunden genutzt“, sagt Erik Friemuth, Leiter der Privatkundensparte bei Vodafone. Erst Ende der 90er Jahre, als sich die Nutzer über Prepaid-Karten Handyguthaben kaufen konnten, stieg der Versand rasant. Allein zwischen 1999 und 2000 verdreifachte sich die Zahl der Nachrichten. Heute verschickt jeder Deutsche zwei SMS pro Tag. 2011 waren es bundesweit 46 Milliarden, schätzt der Branchenverband Bitkom.
Für die Netzbetreiber war das über Jahre eine Goldgrube. Im Minutentakt gingen Mitteilungen hin und her, jedes Mal waren bis zu 19 Cent fällig. Doch seit die Smartphones den Markt erobern, bröckeln die Umsätze. Wer eines dieser Alleskönner hat, dem stehen zahlreiche Mini-Programme zur Verfügung. Mit diesen Apps kann der Smartphone-Nutzer nicht nur längere Nachrichten, sondern auch Fotos und Videos verschicken. Weil das über das Internet geht, entstehen bei einer Flatrate keine Kosten.
SMS-Umsätze um 25 Prozent eingebrochen
Über die Nummer eins dieser Dienste, WhatsApp, werden täglich mehr als zwei Milliarden Nachrichten verschickt – trotz aller Negativschlagzeilen über Sicherheitslücken. Facebook mit über einer Milliarde Mitglieder hat einen eigenen kostenlosen Messenger, ebenso Apple. Die Mobilfunkanbieter verlieren durch die Konkurrenz viel Geld. In den vergangenen fünf Jahren sind ihre SMS-Umsätze um 25 Prozent eingebrochen, hat das Beratungsunternehmen Mücke Sturm errechnet.
Die Industrie versucht, mit einem eigenen Nachfolger für die SMS gegenzusteuern. Rich Communications Suite-enhanced (RCS-e) heißt der Dienst, wegen des sperrigen Namens „Joyn“ genannt. Nutzer sollen Fotos und Videos versenden können – und sich zugleich zu Videokonferenzen treffen. Vodafone bietet ihn seit dem Sommer an, die Telekom will im Dezember starten.
Ist damit das Ende der SMS besiegelt? Ja, sagen die einen, und verweisen darauf, dass in diesem Jahr erstmals mehr Smartphones als herkömmliche Handys verkauft wurden – und damit auch die Nutzung der Apps steigt. Andere wiederum glauben, dass die 160-Zeichen-Nachricht durchaus Überlebenschancen hat. „Die Deutschen sind immer noch stark SMS-treu“, sagt Marc Thylmann, Sprecher des Branchenverbands Bitkom. Natürlich würden immer mehr Nachrichten über Apps versendet, allerdings zusätzlich zu den SMS. Diese hat für Thylmann durchaus Vorteile – weil sie einfach zu bedienen ist und an jedes Mobiltelefon geschickt werden kann. Außerdem haben nach wie vor viele Nutzer ein herkömmliches Handy.
Jeder Fünfte schreibt seine Weihnachtsgrüße per SMS
Wer damit simsen will, muss sich nach wie vor kurzfassen. Dass das möglich ist, wussten schon die Erfinder der SMS. Sie analysierten Postkarten und Faxe – und stellten fest, dass Menschen in 160 Zeichen sehr viel ausdrücken können. Und so hat die Kurznachricht vieles verändert. Urlaubskarten schicken die Deutschen zwar nach wie vor, viele senden aber auch Handygrüße. Und jeder Fünfte schreibt in diesem Jahr, was schon Neil Papworth tat – Weihnachtsgrüße per SMS.
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