So wäscht Apple illegale Musikdateien
Bei Apples neuem Dienst iTunes-Match ist schon spöttisch von iTunes-Amnestie die Rede. Denn für 25 Euro im Jahr lassen sich illegal besorgte Musikdaten nachträglich legalisieren.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihren alten Musikkassetten in den Laden, legen diese auf den Tisch und erhalten sämtliche Titel, die Sie vor Jahren aus dem Radio aufgenommen haben, in bester CD-Qualität wieder zurück. Natürlich hinkt der Vergleich etwas. Denn Sie erhalten keine CD, sondern lediglich die Möglichkeit, Ihre Songs wann immer und wo immer auf allen Ihren digitalen Abspielgeräten zu hören. Aber das ist es in etwa, was der Service des Computerhersteller Apple mit seinem Dienst iTunes-Match anbietet. Dass man damit auch illegal besorgte Musikdaten, nachträglich legalisieren kann, stört offensichtlich nicht mal die Musikindustrie.
Doch von vorn. iTunes ist ein Verwaltungsprogramm von Multimedia-Dateien. Man kann damit Musik hören, Bücher lesen, Filme anschauen und gleichzeitig auch online kaufen. Außerdem benötigt man iTunes, um damit die Multimedia-Dateien auf den verschiedenen Apple-Geräten wie iPod, iPhone oder iPad zu organisieren.
Bislang mussten alle Dateien auf dem eigenen Computer gespeichert werden.
Apple speichert die Daten für 25 Euro im Jahr
Der neue Dienst iTunes-Match bietet den Nutzern nun an, beispielsweise die Musiksammlung nicht mehr auf dem eigenen Computer zu speichern, sondern den Speicher direkt bei Apple zu verwenden, die sogenannte iCloud (iWolke), für eine Gebühr von 25 Euro im Jahr.
Das hat eine Menge einleuchtender Vorteile. Einer davon ist, dass Besitzer eines iPhones mit kleinem Datenspeicher ab sofort quasi ihre gesamte Musik mit sich führen können, ohne diese eigens auf dem Gerät zu speichern. Wer mehrere Geräte nutzt, braucht die Daten nicht mehr abzugleichen. Wenn ein Musikstück versehentlich gelöscht wurde, befindet sich eine kostenlose Kopie in der Wolke.
So weit, so gut. Doch jetzt kommt der Clou, oder besser: die Cloud. Diesen Service bietet Apple für sämtliche Musikdateien an, die jemand auf dem Computer gespeichert hat. Also nicht nur für die, die bei iTunes gekauft wurden. Apple wirbt auf seiner Webseite wörtlich: „Damit kannst du deine ganze Musik, selbst Titel von einer deiner CDs oder Songs, die du nicht bei iTunes gekauft hast, in iCloud speichern.“ Zwar lässt sich Apple in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen versichern, dass diese Daten legal erworben wurden. Geprüft wird dies freilich nicht. Das heißt: Jeder kann seine komplette Musiksammlung, die er ohne zu bezahlen im Internet erworben hat, dank iTunes-Match nachträglich legalisieren, man könnte auch sagen, „waschen“ lassen.
Im Internet ist bereits von der iTunes-Amnestie die Rede. Und tatsächlich erinnert das System an eine Art Steuer-Amnesie. Der reuige Sünder versteuert nachträglich sein ins Ausland geschaffte Geld und muss dafür kein Strafverfahren fürchten. Doch auch der Vergleich hinkt. Während der Steuersünder je nach Höhe seines Vermögens bezahlen muss, zahlt der iTunes-Match-Kunde einmalig im Jahr 25 Euro, einerlei ob er ein oder zehntausend Lieder legalisiert. Und während man bei Steuerhinterziehung nur einmal eine Amnesie erfährt, ist es bei iTunes-Match möglich, so oft und so viele Dateien zu waschen wie man möchte. Apple selbst begrenzt zwar die Anzahl der Musikdateien auf 25000. Aber im Internet kursieren bereits Anleitungen, wie diese Begrenzung zu umgehen ist. Und die Hürden dafür sind alles andere als hoch.
Kunden, die Musik bei iTunes gekauft haben, zahlen doppelt
Für Apple ein geniales Geschäft. Kunden, die Musik bei iTunes gekauft haben, zahlen doppelt: für das Musikstück selbst und für den Service, die Liedsammlung bei Apple ablegen zu dürfen. Und wer noch kein Apple-Kunde war, lässt sich gegen eine Gebühr, die Musikdaten legalisieren. Hinzu kommt die Chance, dass der ein oder andere dem Unternehmen als Kunde treu bleibt.
Und die Musikindustrie oder die Künstler? Nun, immerhin erhält die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) einen Teil der 25 Euro jährlich und damit immerhin mehr als wenn die Musik weiterhin kostenlos aus dem Internet geladen würde. Anscheinend ist die Verzweiflung groß. Der Umsatz der Musikindustrie hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als halbiert. Die Süddeutsche Zeitung zitiert den Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie, Florian Drücke, mit folgenden Worten: „Im Rahmen des neuen Apple-Dienstes werden die Nutzer – auch diejenigen, die bislang illegal im Internet unterwegs waren – in eine sehr attraktive und nutzerfreundliche legale Umgebung geführt und ermutigt, diese verstärkt zu nutzen.“
Ob sich diese Hoffnung bestätigen wird, wird wohl die nächste große Studie der Gesellschaft für Konsumforschung zeigen. Diese hatte im vergangenen Jahr herausgefunden, dass etwa 25 Prozent aller Medieninhalte aus dem Internet illegal heruntergeladen wurden. Mal sehen, ob sich dies durch iTunes-Match ändern wird. In Deutschland ist der Vertrag zwischen GEMA und Apple auf ein Jahr befristet. Danach wird neu bewertet.
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