Beim heiligen Magnus!
„Schutzpatron“ hat es auf eine Monstranz abgesehen
Schwups! bricht der Waldboden unter den Füßen ein. Der Mensch fällt ins Bodenlose und, bei allem Unglück: er findet einen Schatz. In „Bad Fucking“, dem soeben mit dem Friedrich-Glauser-Preis geehrten Krimi des Österreichers Kurt Palm, handelt es sich dabei um prähistorische Höhlenmalereien. In „Schutzpatron“, dem sechsten Kluftinger-Roman der Allgäuer Volker Klüpfel und Michael Kobr, handelt es sich um eine goldene Monstranz mit Reliquien des Allgäu-Schutzpatrons St. Magnus sowie andere Preziosen.
Mit ironisch-humorigem Unterfutter
Während im ersten Fall ein bis dato unbekannter Gendarmerie-Postenkommandant mit Dienstmoped ermittelt, ist es im zweiten ein inzwischen unheimlich bekannter Kriminalhauptkommissar mit uraltem Passat Variant. Den hat ihm in den Achtzigerjahren der Finder des Schatzes, ein Autohändler aus Dietmannsried, günstig verkauft. Dass Kluftinger jetzt nach über 20 Jahren wieder mit dem mysteriösen Fund zu tun hat, dabei umständehalber auf seinen geliebten Passat zugunsten eines knallbunten Smart verzichten muss, gehört zu den Vertracktheiten dieser Geschichte.
Sie ist eine Perle in der Kluftinger-Kette, arbeitet mit einer quasi filmischen Schnitttechnik, einer mitunter atemberaubenden Kombinatorik und einem wie gewohnt ironisch-humorigen Unterfutter. Dieses wird gewissermaßen nach Außen gekehrt bei Milieu-, Situations-, Personenschilderung, bei Alltagsbeobachtung, bei zeitkritischer Betrachtung.
Krimi hin, Krimi her: wenn Polizeipräsident Lodenbacher aus Niederbayern wieder mit seinem Hauptkommissar Kluftinger (Klufti) aus dem Allgäu dialogisiert; wenn sich Kommissar Richard (Richie) Maier bei der Morgenbesprechung wieder verkannt fühlt; wenn sich Kluftis Altusrieder Nachbar Dr. med. Langhammer wieder in die Brust wirft; wenn Klufti und Richie im Smart von Wien nach Kempten fahren, nachdem sie eine unsägliche Nacht beim Wiener Kollegen Bydlinski verbracht haben; wenn der Minigolfer und Haferlschuh-Träger Kluftinger seine Platzreife gegenüber dem Golfer und Oberstaatsanwalt Doktor Möbius beweisen soll; wenn Klufti vom Allgäu Airport in Memmingen den ersten Flug seines Lebens unternimmt (nach Wien, wo die Magnus-Monstranz ausgestellt ist, bevor sie endgültig in ihr eigenes Museum nach Altusried gelangt); wenn Klufti mit seiner künftigen japanischen Schwiegertochter Yumiko kommuniziert; wenn derlei geschieht, dann sind der Bandenboss, der sich „Schutzpatron“ nennt, und seine Helfer, denen er ebenfalls Heiligennamen verpasst, für den Augenblick so gut wie vergessen.
Das komplexe kriminalistische Geschehen dennoch am Laufen zu halten, ist ein schwierig’ Ding. Manchmal knirscht’s dabei wie im Schotter des Iller-Hochufers mit der Burgruine Kalden, wo einst der Burgschatz gefunden wurde und wo ihn jetzt das Altusrieder Museum bewahren soll. Ob dem „Schutzpatron Magnus“ die Entwendung der Magnus-Monstranz just zur Museumseröffnung gelingt (vielleicht nach Eric Amblers „Topkapi“-Art), ob und wie ein solcher Skandal wieder behoben werden könnte, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Der „Schutzpatron“ war Missbrauchsopfer in kirchlichen Heimen, und das rächt sich und wird nun zu Kluftingers sechstem Fall.
Bezüge zu den Großen des Genres
Fazit: Klufti hat in Volker Klüpfel und Michael Kobr zwei kluge, witzige, phantasiereiche, literarisch ansprechende Autoren, deren organische Zusammenarbeit rätselhafter erscheint als ihre Bezüge zu den Großen des Genres. Warum eigentlich steht Kluftinger, dieser spießig-behäbig-schrullige Kemptener Kripomann, noch nicht als Bronzeguss in seinem Wohnort Altusried – so wie A. Camilleris Kommissar Montalbano in Porto Empedocle?
VolkerKlüpfel/Michael Kobr: Schutzpatron. Piper Verlag, München 2011, 390 Seiten, 19,95 Euro (ab Montag im Handel)
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