Die ausgebrannte Bestie
Meat Loaf in der Münchner Olympiahalle: Muss das alles wirklich sein? Braucht er das Geld? Vom traurigen Ende einer Weltkarriere mit 65 Jahren.
Man tritt ihm, der sich ja selbst nicht gerade zimperlich Meat Loaf, also Fleischklops, nennen ließ, gewiss nicht zu nahe, wenn man ihn als Bestie beschreibt. Diese schrille Erscheinung, diese zeitweise über vier Oktaven berserkernde Stimme: Seine Mischung aus Travestie und Pathos, Schwelgerei und Raserei machte aus ordentlichen Rock-Songs großes Kino und den molligen Texaner namens Marvin Lee Aday zum Weltstar.
Vom frühen Durchbruch mit dem über 45 Millionen mal verkauften Album „Bat out of hell“ bis zum späten Balladen-Evergreen „I’d do anything for love“, von der legendären Rolle in der Kino-Version der „Rocky Horror Picture Show“ bis zu schrulligen Auftritten in Filmen wie „Fight Club“: Das ist Meat Loaf, die Bestie, wie es sie zu feiern gilt, jetzt, da sie sich mit großer Tour verabschiedet.
Der Meat Loaf aber, der dann auf der Bühne erscheint – wie am Mittwoch in der gut gefüllten Münchner Olympiahalle –, ist eine traurige Figur. War zum Auftakt noch keck „When I’m 64“ der Beatles vom Band gelaufen, ist der inzwischen 65-Jährige im Scheinwerferlicht schlicht ein Wrack. Die verwaschene Mimik, die zitternden Hände, das schwerfällige Humpeln – allgegenwärtig sind die Parkinson-Erkrankung und die Erschöpfung in diesem wuchtigen Körper, und nur durch immer neue Kraftakte schafft es Meat Loaf, sich in Posen zu retten, die an den erinnern sollen, der er einmal war.
Meat Loaf: Nur ein Lied vom neuen Album
Und so dauert es auch seine Zeit, bis all die Fans den Schock überwinden und zur Feier des Vergangenen finden. Denn natürlich ist das Programm darauf ausgelegt. Vom aktuellen Album „Hell in a Handbasket“ gibt’s nur einen Song („The giving tree“), dafür im zweiten Teil des Abends gleich eine Komplettaufführung des Albums „Bat out of hell“ von 1977. Und der Rest des Abends ist geprägt von dessen Fortsetzungen mit Teil 2 und 3 von 1993 und 2006, die Meat Loaf jeweils Comebacks bescherten.
Aber selbst da fällt das Feiern schwer. Denn die Bestie hat ihr wirkungsvollstes Mittel längst verloren: ihre Stimme. Es gibt in ihr keine Modulationen und nichts Melodiöses mehr, keine Tempowechsel und damit keine Theatralik – nur noch Stammeln in mittleren Höhen und hilflos schrilles Schreien. Da muss die Band mit bis zu fünf Stimmen den Teppich bereiten, dass die Tempo-Songs noch auf einer tragenden Grundlage ordentlich über die Bühne gehen.
Die Travestie von einst wird heute zur Tragödie
Die Balladen aber werden zu reinen Schmerzensnummern. Wenn dann auch noch die nostalgische Verklärung selbst Thema wird wie im eigentlich feinen „Objects in the rear view mirror…“ und die Videowand dazu den kraftstrotzenden Sänger von einst zeigt, wird daraus schon fast eine Tragödie. Und endgültig erreicht ist diese, wenn Meat Loaf dann auch noch zu riesigen aufgeblasenen Sex-Puppen den 40 Jahre jüngeren Schwerenöter zitiert („Paradise by dashboard light“). Da schrumpft die Restwürde dieses Stars tatsächlich auf ein Minimum.
Drum: Muss das alles wirklich sein? Braucht er das Geld? Wollte er noch einmal das ganz große Kino? Die Selbstachtung jedenfalls kann ihm diese letzte Tour nicht nahegelegt haben. Aber bald ist’s ja auch vorbei, Ende August nämlich. Acht Konzerte stehen bis dahin noch aus. Dann ist Meat Loaf nur noch das, was er ohnehin längst ist: Geschichte. Gute Erholung, angenehmen Ruhestand, Marvin Lee Aday.
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