Gemälde auf Glas – und mit Botschaft
Warum Kaufbeuren Neues über eine Kunst des 18. Jahrhunderts zu erzählen hat
Der Preußenkönig als Prunkstück. Von vielen Hinterglasbildern, die im 18. Jahrhundert in Kaufbeuren entstanden sind, blickt nicht etwa eine Heiligengestalt den Betrachter an. Es ist Friedrich II., der sich bei den Hinterglasmalern der Allgäuer Reichsstadt und deren Kunden großer Beliebtheit erfreute. Eine der vielen Besonderheiten dieser Kunstwerke, die das Kaufbeurer Stadtmuseum nun mit einer umfassenden Ausstellung präsentiert und die in ihrer Eigenart weit über den Bereich der Kunstgeschichte hinausweisen.
Gemälde auf Glasscheiben waren seit dem Mittelalter nicht zuletzt wegen ihrer Farbintensität geschätzt und verbreitet. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte diese Kunstform eine Blüte und brachte auch in Süddeutschland etliche Zentren hervor. Die Kaufbeurer Werke wurden dagegen als Zuverdienst von Handwerkern anderer Professionen gefertigt. Mindestens vier von ihnen sind namentlich überliefert.
Prägend und vielleicht auch ursächlich für die Hinterglaskunst in der Wertachstadt war deren Sonderstatus als bikonfessionelle Reichsstadt in einem durch und durch katholisch geprägten Umfeld. Kaufbeuren schloss sich zwar der Reformation an, und die Protestanten stellten nach vielen Querelen die politische und wirtschaftliche Elite der Stadt. Doch das Verhältnis zwischen den Konfessionen blieb angespannt. Da es beispielsweise lange nur von Katholiken geführte Druckereien in der Stadt gab, verschenkten viele evangelische Bürger zu Hochzeiten oder Geburten lieber Hinterglasbilder gleichkonfessioneller Handwerker statt Glückwünsche auf Papier – vielleicht nicht der entscheidende, aber sicher ein Faktor dafür, dass hier ungewöhnlich viele und ungewöhnlich gestaltete Hinterglasbilder entstanden. Die Quellenlage zu den Kaufbeurer Hinterglaskünstlern ist recht dünn.
Dafür zeugen gut 160 Werke, die im Kaufbeuren des 18. Jahrhunderts entstanden und bis dato bekannt sind, von einer beachtlichen Produktion. 73 Bilder befinden sich nach jahrzehntelanger Sammeltätigkeit in der Dauerausstellung und im Depot des 2013 runderneuerten Kaufbeurer Stadtmuseums und werden bei der Sonderausstellung „Bekenntnisse aus Glas“ nun erstmals in ihrer Gänze präsentiert. Dazu kommen etliche Leihgaben, unter anderem ein „Martin Luther im Lorbeerkranz“, der viele Jahre lang im Büro des Verlegermagnaten Axel Springer hing.
Luther, der Schwedenkönig Gustav II. Adolph, der zugunsten der Protestanten in den Dreißigjährigen Krieg eingriff, oder eben Friedrich II., der im Siebenjährigen Krieg, also zur Zeit der Entstehung, gegen die katholischen Großmächte ins Feld zog, waren beliebte Hinterglasmotive. Damit versicherten sich die evangelischen Kaufbeurer ihrer Sache und pflegten eine explizit protestantische Erinnerungskultur. Andere Bilder mahnen an wichtige Momente oder die Grundsätze des Protestantismus. Biblische Szenen ersetzen die in katholischen Gegenden gefragten Heiligenbilder, die auch mit einigen Vergleichsbeispielen vertreten sind. Es gibt kunstvoll gestaltete Bibelzitate sowie einige wenige profane Motive.
Während einige Wertachstädter Hinterglasmaler technisch zu großer Meisterschaft gelangten und auch stilistisch durchaus eigene Handschriften zeigten, griffen sie bei der Motivfindung und Komposition fast ausschließlich auf Vorlagen anderer Künstler und Kunstzentren zurück. Eine wichtige Rolle spielten hier etwa die Stiche des Augsburgers Martin Engelbrecht.
Insgesamt bildet die Schau einen solide gestalteten, hochinteressanten Beitrag zum Reformationsjubiläum, vor allem aber zur regionalen (Religions-)Geschichte. Ein fundierter und aufwendiger Katalogband zeugt außerdem von der erstmals umfassend betriebenen wissenschaftlichten Erschließung der Hinterglasbilder in den Museumsbeständen.
im Stadtmuseum Kaufbeuren läuft bis zum 4. Februar, Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr. Der Katalog ist im Bauer-Verlag (Thalhofen an der Wertach) erschienen und für 18 Euro im Handel erhältlich.
www.stadtmuseum-kaufbeuren.de
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