Wehe, wenn der Golem kommt
Bei den Salzburger Festspielen bringt die Kompanie „1927“ fantastische Bildwelten auf die Bühne. Nur, was will sie erzählen?
Internationalität ist eines der Modeworte, mit denen die Intendanten landauf und landab ihren Schauspielbetrieben Glanz verleihen wollen. Das demonstriert Weltläufigkeit, und es soll auch den Eindruck erwecken, in Globalisierungsangelegenheiten nicht den Anschluss verpasst zu haben.
So großartig sich die Projekte in den Programmheften ankündigen, so dürftig fühlen sich solche internationalen Abende manchmal an. Die Stücke müssen übersetzt werden, doch mit den eingeblendeten Übertiteln geht das Feine, Hintersinnige und Kunstvolle des Sprechtheaters oft verloren.
Um Geschichten über Sprachgrenzen hinweg möglichst verlustfrei zu transportieren, muss anders erzählt werden – bildhafter. Gerade deshalb sind die beiden Briten Suzanne Andrade und Paul Barritt mit ihrem 2005 gegründeten Ensemble „1927“ weltweit eine Theaterattraktion. Sie verbinden das Sprechtheater mit dem Animationsfilm. Die Schauspieler werden hier Teil von bühnenbreiten Trickfilmen, der bewegte Hintergrund ist dabei mindestens so wichtig wie das Sprechen der Figuren. Hinzu kommt eine durchgängige musikalische Begleitung, die Texte werden in einem Sing-Sang vorgetragen, der an die Ursprünge des Tonfilms erinnert.
Salzburger Festspiele: Der "Golem" spielt in einer anderen Stadt
Zum Abschluss der Salzburger Festspiele haben sic Andrade, Barritt und ihre Kompanie nun von Gustav Meyrinks fantastischem Roman „Der Golem“ für ein neues Stück anregen lassen. Ihr „Golem“ spielt nicht mehr im Prag des ausgehenden 19. Jahrhunderts, sondern in einer Stadt wie in London irgendwo zwischen dem Beginn des Computerzeitalters und der Gegenwart.
Ihre Golem-Geschichte im Salzburger Landestheater beginnt bildlich so opulent und gleichzeitig auch noch witzig, dass erst einmal alle Befürchtungen eines ernüchternden Theaterabends vertrieben sind. Da wird von einer Familie erzählt, die es mit dem Kapitalismus nicht so ernst nimmt, dafür aber die eigenen Schrullen mit Akribie pflegt. Von der Oma angefangen bis zu ihren beiden Enkelkindern, die beide Jahre, Jahrzehnte lang in einer Punk-Band spielen, ohne je aufzutreten.
Das Spiel der grell geschminkten, an Comic-Figuren erinnernden Schauspieler direkt vor den Animationen ist dermaßen perfekt, dass die Grenzen zwischen Hintergrund und Vordergrund zerfließen. Diese Bühnen-Kunstwelt lebt.
Der "Golem" erledigt alle lästigen Arbeiten
Sie trägt nur nicht über die gesamten neunzig Minuten. Es kommt der Moment, an dem sich die Augen satt gesehen haben und der Blick sich der Handlung zuwendet. So opulent das alles eingerichtet ist, so schlicht ist das, was Andrade und Barritt in der letzten diesjährigen Salzburger Premiere erzählen.
Robert, der Gitarrist der Punkband und Mitarbeiter in einem Betrieb, der Backups von Backups erstellt (mit Bleistiften), kauft von seinem Nerd-Freund dessen neuestes Produkt: einen Golem. Dieser Golem erledigt alle lästigen Arbeiten, inklusive Roberts tatsächlicher Lohnarbeit; doch entwickelt er auch ein unvorhergesehenes Eigenleben. Gerade als der Golem-Spuk beendet scheint – er fällt in sich zusammen –, kommt der Golem 2.0 auf den Markt, die verbesserte Version, die Robert von Grund auf verändert. Er will nun, beraten vom Golem, Karriere machen und mobbt dafür seine Kollegen. Als der Golem 3.0 kommt, der den Menschen eingepflanzt wird, siegt die Technik endgültig über Robert und alle anderen Menschen. Die Moral dahinter: Früher war alles besser.
Eindimensionaler und in der Aussage platter kann eine Geschichte fast nicht erzählt werden. Auch wenn die Bilder noch so gelungen sind, bleibt hinterher nur eines zurück: Enttäuschung.
Weitere Aufführung am 26. August im Salzburger Landestheater
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