Der Stimmungsfaktor
Es war guter Brauch, in der Woche vor einer Wahl auf die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen zu verzichten. Nun verlasen einige diesen Pfad der Tugend.
Umfragen geben eine Stimmung wieder. Sie sind eine Momentaufnahme. Umfragen können danebenliegen, weil die Befragten folgenlos flunkern können. Sie bewegen sich im Ungefähren, weil alle Prozentergebnisse um bis zu zwei Punkte nach oben oder unten schwanken können. Umfragen sind deshalb auch ungeeignet für die Vorhersage eines Wahlergebnisses.
Demoskopen können aber mit ihren Befragungsergebnissen den vorhandenen Trend für oder gegen eine Partei verstärken. Deshalb war es guter Brauch, in der Woche vor einer Wahl auf die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen zu verzichten. Die Institute gingen damit einem möglichen Manipulationsverdacht aus dem Weg.
Die Forschungsgruppe Wahlen und das ZDF verlassen diesen Pfad der Tugend. So müssen nun die Grünen und noch mehr die um ihre politische Existenz kämpfende FDP bei der Bundestagswahl am Sonntag fürchten, von ihrem momentanen Umfragenabwärtsstrudel mitgerissen zu werden. Ihre zeitweilige Stärke verdankten sie auch vielen Wechselwählern, die sich von Stimmungen aus den Umfragen anstecken lassen. Neue Zahlen können diesen launenhaften, nur wenig politischen Effekt verstärken.
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