Die Lehren aus dem Fall Schlecker
Die rund 32.000 Beschäftigten von Schlecker haben es verdient, dass für ihr Unternehmen gekämpft wird.
Sammeln müssen wir für Anton Schlecker nicht. Die staatliche Unterstützung, die sich der Gründer der einst größten deutschen Drogeriemarktkette mit Hilfe des Insolvenzverfahrens verschafft, ist hoch genug. Schließlich übernimmt die Bundesagentur für Arbeit kurzzeitig Löhne und Gehälter. Sollte auch Schleckers gesamtes privates Milliardenvermögen aufgebraucht sein, wie er nun über seine Tochter Meike verkünden lässt, der 67-Jährige kann niemanden anderen als sich selbst für diesen Ruin verantwortlich machen. Hier hat ein Unternehmer nicht nur die erforderliche Anpassung seines ursprünglich erfolgreichen Geschäftsmodells fahrlässig unterlassen, sondern sich überdies über Jahre immer wieder als rücksichtsloser Arbeitgeber gezeigt. Dass nun ausgerechnet seine eigenen Mitarbeiter, die lange Zeit unter Schleckers Spar- und Kontrollzwang gelitten haben, für diese schweren Fehler bezahlen müssen, wäre ungerecht. Dies gilt es zu verhindern. Gerade die rund 32000 Schlecker-Beschäftigten in Deutschland haben es verdient, dass für ihr Unternehmen gekämpft wird und es erhalten bleibt.
Aber auch die Kunden würden profitieren. Ein starker Wettbewerb im Drogeriesegment verhindert eine intensivere Konzentration auf die wenigen verbleibenden Großen der Branche. Hinzu kommt, dass Schlecker gerade in ländlicheren Regionen nicht selten die Rolle eines Tante-Emma-Ladens übernommen hat. Die Funktion eines Nahversorgers zeichnet die blau-weiße Marke aus. Diesen Vorteil gilt es auszubauen, er könnte den Weg in die Zukunft weisen. Denn fest steht, dass das eingeleitete Modernisierungsprogramm der Filialen und die gleichzeitige Reduzierung der Standorte allein für ein tragfähiges Konzept nicht ausreichen. Schlecker muss sich noch einmal neu erfinden, um auf Dauer eine reale Chance gegenüber so erfolgreichen Konkurrenten wie dm, Rossmann oder Müller zu haben.
So entscheidend es nun für den vorläufigen Insolvenzverwalter ist, die richtigen Schritte zu tun, um Schlecker zukunftsfähig zu machen, so wichtig ist es auch, diesen Absturz als Lehrstück zu begreifen. Zeigt er doch anschaulich, dass allein mit dem Preis in der Regel kein langfristiger Erfolg mehr zu erzielen ist. Ebenso relevant wie ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis ist ein gutes Image. Anton Schleckers Kinder Meike und Lars, die nun die Geschäfte übernehmen, scheinen dies zwar zu wissen und auch zu beherzigen, denn nur so lässt sich das Bemühen, ein guter Arbeitgeber zu sein, erklären. Allein, auch dieser Wandel kam wie der Umbau der Filialen viel zu spät.
Damit offenbart sich hier auch das Scheitern eines Patriarchen, der offensichtlich viel zu lange geglaubt hat, dass nur er allein wisse, was dem von ihm aufgebauten Unternehmen guttut. Es fehlte der Blick von außen. Es fehlte das Vertrauen in andere Menschen. Auch das lässt sich am Falle Schlecker lernen. Berücksichtigt werden muss bei der Beurteilung allerdings sicherlich, dass die Entführung seiner Kinder im Jahre 1987 an Anton Schlecker nicht spurlos vorbeigegangen sein dürfte. So eine Erfahrung prägt und verstärkt den Hang, sich zurückzuziehen, misstrauisch zu werden.
Doch mit der Geheimniskrämerei muss spätestens jetzt im Insolvenzverfahren Schluss sein. Die Gläubiger, aber vor allem auch die Mitarbeiter, haben das Recht, dass das komplette Schlecker-Imperium exakt durchleuchtet wird. Vor allem haben die Betroffenen einen Anspruch, zu erfahren, wo das einstige Milliardenvermögen eigentlich hingekommen ist? Wie kann es sein, dass einer der reichsten Deutschen innerhalb kürzester Zeit pleite ist? Es sind noch spannende Erkenntnisse aus dem Fall Schlecker zu erwarten.
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