Im Zweifel für die Umweltzone
Ob der ganze Verwaltungsaufwand für die Umweltzonen sich tatsächlich lohnt, wird immer mehr bezweifelt. Doch deren Abschaffung wäre nur Populismus.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vor dreieinhalb Jahren war eine Sensation: Die Bürger Europas haben ein Recht auf saubere Luft, entschieden die Richter in Luxemburg damals. Seitdem hat sich viel getan. Es wurden Richtlinien entworfen, Gesetze und Aktionspläne. Über 50 Städte in Deutschland haben inzwischen sogenannte Umweltzonen eingerichtet. Denn wesentlicher Verursacher von all dem giftigen Feinstaub war angeblich das Auto.
Fahrzeuge wurden in drei Schadstoffkategorien eingeteilt – rot, gelb, grün. Die Städte gingen jedoch unterschiedlich rigoros vor. In manche Zonen darf man nur mit grüner Plakette fahren, in anderen sogar noch mit roter. Deutschland wurde zum Umweltzonen-Flickerlteppich. Wer heutzutage Städtereisen mit dem Auto plant, der benötigt erst einen Grundkurs in Sachen Umweltzonen.
Ob der ganze Verwaltungsaufwand sich tatsächlich lohnt, wird seit einiger Zeit von immer mehr Seiten – und nicht nur von der Autolobby – bezweifelt. Gar Hysterie werfen Kritiker den Umweltämtern mancher Städte vor, die aufgrund des Urteils nachweisen müssen, dass sie Sinnvolles für die Reinhaltung der Luft tun.
Wasser auf die Mühlen der Gegner lieferten die Vorjahreszahlen des Umweltbundesamtes, nach denen in vielen Städten trotz mittlerweile langjähriger Umweltzonen der Feinstaubanteil in der Luft sich nicht reduzierte. Stuttgart beispielsweise hat die höchste Belastung trotz aller Bemühungen der städtischen Behörden.
Das alles deutet schon darauf hin, dass nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch die geologische Lage und das Wetter eine große Rolle spielen. Dazu kommt, dass Faktoren wie Heizungsabgase ebenfalls nicht zu unterschätzen sind. Gerade die so im Trend liegenden Holzöfen pusten jede Menge Feinstaub in die Atmosphäre. Belegt wird dies durch die Fünfjahreswerte des Umweltbundesamtes. Diese besagen, dass in den Wintermonaten nahezu 70 bis 80 Prozent der Feinstaubbelastung stattfinden, der Verkehrsanteil jedoch das ganze Jahr über vergleichsweise stetig läuft.
Die Schuld an der noch immer zu hohen Feinstaubkonzentration – und nicht zu vergessen der ebenfalls zu hohen Stickstoffoxidbelastung – allein beim Auto zu suchen, wäre zu einfach. Die Umweltzonen jetzt wieder abzuschaffen, wäre jedoch auch nur Populismus. Denn trotz aller sich teilweise widersprechender Studien ist Fakt: Automobile tragen – in welcher Größenordnung auch immer – zum Feinstaubausstoß bei. In einer Langzeituntersuchung in Nordrhein-Westfalen im Auftrag des dortigen Umweltministeriums wurde beispielsweise festgestellt, dass Menschen, die näher als 50 Meter an einer verkehrsreichen Straße wohnen, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Atemwegserkrankungen zu sterben. Auch ein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs sei belegt. Es stimmt ja. Niemand würde freiwillig an den Mittleren Ring in München ziehen.
Zwar ist die Qualität der Luft in den vergangenen Jahrzehnten – großflächig betrachtet – durch neue Filtertechniken an Industrieanlagen und Autos, die nicht mehr so viel Ruß und Staub in ihre Umgebung abgeben, deutlich besser geworden. Auch der Niedergang der Industrie in Osteuropa trug dazu bei. Trotzdem müssen die Experten künftig auch für die Städte geeignete Lösungen finden. Es ist ein durchaus alarmierendes Zeichen, wenn trotz der Umweltzonen die Luft in vielen Metropolen nicht sauberer wird. Langfristig zahlen nämlich die Einwohner einen hohen Preis, wenn sich Atemwegserkrankungen aufgrund des Feinstaubs häufen.
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