Kirche im Widerspruch
Weltbild steht für ein größeres Problem: Katholiken haben sich auf viele Kompromisse eingelassen.
Im Fall Weltbild zeigt sich die Problematik der Kirche insgesamt: Wer oder was will man eigentlich sein? Am Markt erfolgreich oder treu zu sich selbst? Weltbild ist ein Unternehmen, das ganz auf Rendite und Wachstum ausgerichtet ist. Das kann man Managern nicht vorwerfen. Aber man muss die katholische Kirche fragen, warum sie ein solches Unternehmen betreibt. Ist das die Aufgabe der Kirche?
Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Bischöfe haben sich lange gegenseitig (und manchmal wohl auch jeder sich selbst) vorgemacht, Weltbild habe ein „katholisches Programm“. Mancher hat sich auch hinhalten lassen, bald werde alles christlicher. Dabei war bekannt, dass Weltbild (fast) alles verkauft, was sich gut verkaufen lässt.
Ob die jetzt diskutierten Beispiele „Pornografie“ sind, ist was für Winkeladvokaten. Worum es geht, ist etwas anderes: Ein rein kommerzielles, milliardenschweres Handelsunternehmen, dessen einziger Zweck die Gewinnmaximierung ist, ist mit dem Selbstverständnis der Kirche unvereinbar. Es ist an der Zeit, dass die Bischöfe sich von Weltbild trennen. Vieles spricht dafür, dass die Krisensitzung am Montag die Trennung endlich einleiten wird.
Aber Weltbild ist doch nur ein Nebenschauplatz der Kirchenkrise. Denn Weltbild steht beispielhaft für ein größeres Problem: Katholiken haben sich auf viele Kompromisse eingelassen, auch auf faule Kompromisse. Sie haben innere Widersprüche bereitwillig hingenommen, statt – umgekehrt – zu akzeptieren, dass Kirche immer in einem gewissen Widerspruch zur äußeren Welt stehen wird.
Nachdem über viele Jahre die Konflikte in der Deutschen Bischofskonferenz nie ausgetragen wurden, deutet sich jetzt der offene Streit an. Dass sich die lang aufgebauten Spannungen entladen, hat viel mit dem Besuch des Papstes zu tun. Sein Aufruf zur „Entweltlichung“ und zur Aufgabe von „Privilegien“ ist von vielen als Appell verstanden worden, nicht länger wegzusehen, wenn der Kern des Glaubens kompromittiert wird. Andere dagegen wollen die gewohnte, doppelbödige Welt verteidigen.
Katholiken hierzulande sind lange einen deutschen Sonderweg gegangen, angefangen von den Konkordaten und dem Verhältnis zum Staat über die Kirchensteuer bis zu den oft selbstherrlichen Umdeutungen des Glaubens, die es so fast nur in Deutschland gibt. Die aus Rom kolportierte Warnung von der „Nationalkirche“ mag übertrieben sein. Aber es stimmt schon: Denn von deutschen Katholiken zu reden, ist widersinnig. Es ist ja das Radikale am Christentum, dass es keine Nationen kennt. Deutsche Katholiken – das ist so haarsträubend wie der fast vergessene Versuch, die deutsche Physik an den Hochschulen zu etablieren.
Entweltlichung – das wird vieles heißen müssen. Verkleinern, Ballast abwerfen, bescheidener sein – das ist die Zukunft der Kirche. Und das wird auf mittlere Sicht auch heißen, sich von der Kirchensteuer zu lösen. Schon lange stehen die großen Strukturen und Fassaden in keinem Verhältnis mehr zum kirchlichen Leben, das hinter den Fassaden stattfindet. Zudem macht die Kirchensteuer die Gläubigen zu Konsumenten, die passiv eine Leistung erwarten. Die Kirchensteuer wirkt verführerisch und lähmend.
Die Bischöfe werden lernen müssen, dass die Zeit von Glanz und Gloria vorbei ist. Und die Katholiken in Deutschland werden lernen müssen, dass sie nicht immer im kommoden Konsens mit der säkularen Welt leben können. Trotzdem mitten in der Welt glaubwürdig präsent zu sein und sich nicht in der Sphäre des eigenen Glaubens abzukapseln – das ist vielleicht die größte Herausforderung in dem schwierigen, aber längst überfälligen Prozess, der jetzt beginnt.
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