Santo subito?
Johannes Paul II. wird seliggesprochen. Er hat das moderne Papsttum ganz neu definiert. Aber ist er deshalb ein Heiliger?
Johannes Paul II. war ein Papst der Superlative: 27 Amtsjahre (das zweitlängste Pontifikat der Geschichte), 127 besuchte Länder (mehr als alle Päpste vor ihm zusammengenommen), 482 Heiligsprechungen. Im Grunde hat Johannes Paul II. das moderne Papsttum ganz neu definiert: mit einer nie gekannten medialen Präsenz, mit wirkungsvoll inszenierten Gesten und einer unermüdlichen Reisetätigkeit. Aber ist er deshalb ein Heiliger? Hat er das Eilverfahren verdient, das die Menschenmassen vor sechs Jahren auf dem Petersplatz forderten? Santo subito?
Man darf sich jedenfalls wundern, dass die katholische Kirche, die sich sonst für ihre Entscheidungen viel Zeit lässt (und das zu Recht!), in diesem Fall nicht einmal die vorgeschriebenen Wartezeiten einhält. Wer will, kann in der eilig herbeigeführten Seligsprechung an diesem Wochenende (eine Vorstufe zur Anerkennung als Heiliger) den Versuch der Kirche sehen, auch nach seinem Tod den „Superstar“ Karol Wojtyla in Szene zu setzen. Ohnehin ist die Entscheidung Benedikts XVI. nicht unumstritten. Wie schon zu seinen Lebzeiten wird Johannes Paul II. auch jetzt noch von links und rechts gleichermaßen angegriffen: Die reaktionäre Piusbruderschaft hat gegen die Seligsprechung ebenso protestiert wie der linksliberale Kirchenkritiker Hans Küng.
Die Kritiker verkennen freilich die historische Bedeutung Johannes Pauls II. Allein sein „mea culpa“ zu den großen geschichtlichen Verfehlungen der katholischen Kirche – von der Inquisition und den Hexenverbrennungen bis zum Verteufeln wissenschaftlicher Erkenntnisse – war ein historischer Durchbruch. Sein Kampf für die Freiheit der Religionswahl und seine Versöhnungsgesten gegenüber Juden und Muslimen sind ebenso verdienstvoll. Innerhalb der Kirche hat er mit den Weltjugendtagen eine ganz neue geistliche Bewegung in Gang gesetzt. Und die ungeheure Größe, mit der er zu seinem Attentäter ins Gefängnis ging, um ihm zu verzeihen, hat Menschen in aller Welt tief berührt. Nicht zuletzt haben seine letzten Lebensjahre, als er tapfer und würdevoll alt und krank wurde, ein bewegendes Zeichen gegen den Jugend- und Schönheitswahn unserer Zeit gesetzt.
Aber noch einmal: Macht ihn all das zu einem Heiligen? Das mag eine Glaubensfrage sein. Heilige sind nicht perfekte Menschen gewesen, und auch Johannes Paul II. hat sicher Fehler gemacht. Der Begriff des Heiligen stößt ohnehin an Grenzen, sobald man über die katholische Welt hinausdenkt. Müsste man nicht, wenn man nach großen Vorbildern im Glauben und im Leben sucht, auch Martin Luther King, Dietrich Bonhoeffer und viele andere nennen? Das sprengt die Grenzen katholischer Dogmatik. Sicher ist, dass es sich lohnt, über alle Grenzen hinweg Helden und Heilige zu suchen und sich von ihrem Vorbild leiten zu lassen. Johannes Paul II. ist ein solches Vorbild.
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