Trichet, der Tabubrecher
Am Schluss ist vom guten Ruf, den sich Jean-Claude Trichet über Jahre als Präsident der Europäischen Zentralbank erarbeitet hatte, nicht viel übrig geblieben.
Am Schluss ist vom guten Ruf, den sich „Monsieur Euro“ über Jahre als Präsident der Europäischen Zentralbank erarbeitet hatte, nicht viel übrig geblieben. Dabei ist es Jean-Claude Trichet in den vergangenen acht Jahren gelungen, die Inflation in Schach zu halten und stabile Preise zu gewährleisten. Doch die Schuldenkrise hat den Ruf des obersten Währungshüters mit einem Schlag ruiniert.
Mehr noch: Der Franzose hat auch dem Ansehen der Organisation schweren Schaden zugefügt, indem er dazu überging, marode Schuldensünder systematisch zu subventionieren. Gigantische 160 Milliarden Euro hat die EZB bislang für Staatsanleihen notleidender Staaten aufgewendet – zunächst für Griechenland, dann für Portugal, Irland, Italien und Spanien. Dass Trichet noch wenige Wochen vor dem ersten Sündenfall versicherte, sein Haus werde unter keinen Umständen etwas tun, um einzelne Länder zu retten, wirkt im Nachhinein nur noch grotesk.
Der überzeugte Europäer Trichet hat sich die Rolle des unfreiwilligen Retters in der Not sicher nicht ausgesucht. Er handelte, um die Schuldenkrise nicht eskalieren zu lassen. Unbestreitbar ist aber, dass die Organisation durch Trichets Tabubrüche an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit eingebüßt hat. Längst ist sie zur Rettungsstation für unbelehrbare Defizitsünder geworden. Seinem Nachfolger Mario Draghi hinterlässt der Franzose ein schwieriges Erbe. Der neue „Signore Euro“ wird gut daran zu tun haben, das angekratzte Image der EZB wieder aufzupolieren.
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