Mitschuld bei Unfall: Fahrradclub will Helm-Urteil anfechten
Ein Gericht hat einer Radfahrerin bei einem Unfall mit einem Auto die Mitschuld gegeben, da die Frau keinen Helm trug. Der ADFC hält dies für absurd.
Diese Entscheidung hat bei Radlern für Aufregung gesorgt: Das ist, als wollte man den Fahrer eines Kleinwagens beim unverschuldeten Zusammenstoß mit einem Geländewagen für seinen Schaden mitverantwortlich machen. Schließlich hätte er mit einem großen Auto dem Unfallgegner etwas mehr entgegensetzen können. So oder ähnlich überträgt Roland Huhn, der Rechtsexperte des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Er hält es für absurd. Das Gericht hatte einer Radfahrerin bei einem Unfall mit einem Auto die Mitschuld gegeben. Nicht, weil sie sich verkehrswidrig verhalten hätte. Nein. Sie hatte keinen Helm auf.
Einer besonderen Verletzungsgefahr ausgesetzt
Ein verständiger Mensch trage "beim Radfahren zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm", so die umständliche Urteilssprache. Auch wenn es keine gebe, sei der Radfahrer einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Der ADFC will das Urteil anfechten und der Frau zu ihrem Recht verhelfen. Sie war zu Boden geworfen worden, als eine andere Frau die Türe ihres geparkten Autos - ohne sich umzudrehen - geöffnet hatte. Durch den Sturz erlitt sie schwere Kopfverletzungen. Nun soll sie für einen Teil der Folgekosten selbst aufkommen. Huhn geht davon aus, dass dieses Urteil keinen Bestand haben wird.
Auch Huhn bestreitet nicht die schützende Wirkung eines Helms. Tatsächlich sind 33 Prozent der schweren Verletzungen, die Radler bei einem Unfall erleiden, Kopfverletzungen. Er bezieht sich damit auf die Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen. Eine alte Studie spreche von 85 Prozent. Doch Huhn mahnt zur Vorsicht: "Diese Studie stammt von einem Helmhersteller.
Über 90 Prozent der deutschen Radfahrer tragen keinen Helm
Tatsächlich tragen über 90 Prozent der deutschen Radfahrer keinen Helm. Auch wenn sie in Umfragen gerne etwas anderes behaupten. Der Ehrgeiz der Politik, eine Helmpflicht einzuführen, sei auch eher mäßig. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) setzt lieber auf Freiwilligkeit. Selbst der ADFC spricht sich gegen eine Helmpflicht aus. "Man soll den Menschen die Freiheit lassen", sagt Huhn. "Die Akzeptanz ist nicht groß." Keiner käme auf die Idee, eine Helmpflicht für Autofahrer zu fordern. Viele erleiden bei einem Unfall aber tödliche Kopfverletzungen.
Eine Helmpflicht für Kinder sei da schon eher nachvollziehbar. Deren Kopf ist noch nicht ausgewachsen, die Knochen sind noch verhältnismäßig weich. Auch wenn der Helm als Lebensretter überschätzt werde, so schützte er jedenfalls vor Beulen, so Huhn. Im Straßenverkehr trage aber nur jedes zweite Kind einen Helm.
Jeder Radfahrer, der im Straßenverkehr schwer verletzt oder gar getötet wird, sei einer zu viel, meint Huhn. Jährlich sterben in Deutschland 400 Radler. Zum Vergleich: Für 660 Motorradfahrer verlief die Ausfahrt tödlich. Doch die nächste Größe stellt diese traurigen Zahlen in den Schatten: 360 000 Menschen sterben jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rechnet der Radler-Lobbyist vor. Und dies sei hauptsächlich auf Bewegungsmangel zurückzuführen. Daher hält er nichts davon, den Menschen eine gesunde Aktivität mit zu vielen Vorschriften zu vermiesen. "Viele haben ja sonst gar keine Bewegung."
Mehr Radwege und verbesserte Kraftfahrzeugtechnik
Um die Sicherheit von Radfahrern zu erhöhen, fordert der ADFC bessere Radwege in den Städten und Gemeinden. Bei der Kraftfahrzeugtechnik sei auch noch vieles zu verbessern. So biete derzeit nur ein Autohersteller einen Außenairbag an, der Fußgänger beim Aufprall auf die Motorhaube abfangen soll.
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