Neues Album von AC/DC dampft auch ohne Malcolm Young
Die neue AC/DC-Platte "Rock or Bust" kommt gerade mal auf 35 Minuten. Ist das ein schlechtes Zeichen? Dass den Aussie-Schotten Angus und Malcolm Young nichts mehr eingefallen ist?
Wer braucht eigentlich Alben, die satte 70 Minuten lang dauern und bei denen mindestens 20 Stücke in den Silberling gefräst sind? Weniger bietet meist mehr. Allerdings sind 35 Minuten schon reichlich schwäbisch bemessen – oder in dem Fall eher schottisch: Die neue AC/DC-Platte kommt gerade mal auf diese bescheidene Zahl. Ist das ein schlechtes Zeichen? Dass den Aussie-Schotten Angus und Malcolm Young nichts mehr eingefallen ist?
Na ja, eingefallen ist ihnen das, was ihnen schon seit vier Jahrzehnten so einfällt. Riff-Rock mit ein paar handgestanzten Akkorden, die sich drei Minuten lang wiederholen. Dazu macht Phil Rudd an den Fellen das, was er ebenfalls immer tut: Bumm-Zack klopfen, mal ein kleines bisschen schneller, mal ein kleines bisschen langsamer.
"Rock or Bust" von AC/DC ist ordentlich geworden
AC/DC, das ist Musik wie ein ordentliches paniertes Schnitzel: knusprig an der Oberfläche, innen viel Fleisch, heiß serviert. Ist halt immer das gleiche, aber wer das bestellt, macht nichts falsch. So gesehen, ist auch „Rock or Bust“ wieder ein ordentliches Schnitzel geworden. Vielleicht ein wenig kleiner als sonst, und auch das Bratfett wurde schon ein paar mal verwendet, aber: knusprig und fleischig. Es wurde aus dem altbekannten, verdammt gut abgehangenen Rippenstück geschnitten wie all die Alben vorher.
Malcolm Young leidet unter Demenz
Dabei fällt gar nicht auf, dass diesmal alles unter erschwerten Umständen in die Pfanne geworfen wurde. Denn Malcolm Young, der ungeschlagene Riffmeister, war gar nicht mehr dabei. Er leidet unter Demenz, doch hat er offenbar in den Jahren zuvor schon etliche Fleischstücke vorgeschnitten und ins Kühlhaus gehängt. So musste sein Bruder Angus die Brocken nur noch breitklopfen, sprich: die liegen gebliebenen Ideen zusammenklauben und zu Liedern formen. Heraus kam, oh Wunder, eine 100-prozentige AC/DC-Platte, die alles enthält: bestechend schlichte Riffs, Bumm-Zack und Texte wie ein ewig währender Ausflug mit den Kumpels: Frauen, Bars, Autos und irgendwo wartet immer ein Haus, das gerockt werden will. Überhaupt wird textlich eine Menge gerockt – und musikalisch sowieso.
Vermutlich wird dieses Album das letzte einer Band sein, die wie kaum eine andere so unbeirrt von neuen Einfällen die Essenz des Hardrocks serviert: Kopfnicker-/Fußwipper-Beat und schlichte Stromgitarre. Dagegen sind Motörhead und Status Quo Springbrunnen der Experimentierfreude.
Spannende Frage: Wir wird sich AC/DC auf ihrer Tour präsentieren?
Das Spannendste an der Zukunft von AC/DC dürfte sein, wie sie sich nächstes Jahr auf ihrer geplanten Tour präsentieren: mit Angus’ Neffen Stevie Young an der Rhythmusgitarre, aber womöglich ohne Phil Rudd, der wegen einer angeblichen Morddrohung in juristischen Malaisen steckt. Und mit einem Sänger, der die Töne mittlerweile so stark pressen muss, dass ihm beim jüngsten Band-Ausflug rund um die Welt fast der Schädel geplatzt wäre. Vielleicht hätten AC/DC sich doch aufs Altenteil zurückziehen sollen, denn besser wird’s nicht mehr. Andererseits: Lieber einer geregelten Beschäftigung nachgehen als dass der eine oder andere auf dumme Gedanken kommt, siehe Phil Rudd. Also lieber rocken als platzen, was eine der Übersetzungen von „bust“ wäre. Das Lexikon hält auch noch „pleitegehen“ bereit. Doch das ist angesichts der in vier Jahrzehnten angehäuften Reichtümer eher unwahrscheinlich. *****
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