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Reportage
15.02.2017

Säureopfer Vanessa zeigt Gesicht

Im Fotostudio: Vanessa Münstermann wurde vor genau einem Jahr von ihrem Ex-Freund mit Schwefelsäure verätzt. Anders als andere Brandopfer versteckt sich die 28-Jährige nicht.
Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

Vor einem Jahr wurde Vanessa Münstermann von ihrem Ex-Freund mit Säure angegriffen. Ihr Gesicht wurde verätzt. Doch die 28-Jährige versteckt sich nicht und will anderen helfen.

Vanessa Münstermann versteckt sich nicht, obwohl sie seit einem Säureangriff von Narben gezeichnet ist. "Two Face" hat sie sich vor kurzem in ihr Dekolleté tätowieren lassen.

"Ich verkrafte es für meine Psyche besser, wenn ich mein Gesicht in zwei Hälften teile", sagt die 28-Jährige. "Ich sehe mein Gesicht nicht als eins." Neulich habe sie sich einen "Batman"-Film angeschaut, der Bösewicht "Two-Face" habe sie an ihr eigenes Aussehen erinnert.

Vor einem Jahr hatte der Ex-Freund die Kosmetikerin in Hannover mit Säure übergossen. Ihre linke Gesichtshälfte war eine einzige Fleischwunde, als sich Vanessa Münstermann nach dem Aufwachen aus einem künstlichen Koma im Krankenhaus für Zeitungen fotografieren ließ. Das war als Botschaft zu verstehen: Mich kriegst du nicht klein. Und heute, ein Jahr nach der Tat, wie bewältigt sie den Alltag?

Treffen mit Vanessa in einer Büroetage in Hannover. Hier plant sie ein Zukunftsprojekt: Mit einem Verein will sie Menschen mit ähnlichem Schicksal helfen. Der Name "AusGezeichnet" steht für ihre hochfliegende Idee: Auch wenn sie nach der Attacke für immer gezeichnet ist, möchte sie die Narben ins Positive umkehren.

Ein Tattoo mit dem Schriftzug "Two Face" ziert das Dekolleté von Vanessa Münstermann.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa

Die Frau mit dem grau gefärbten Haar wirkt quirlig, steckt voller Energie. Sie trägt einen kleinen Ring in der Nase und einen Ohrring. Ihr zweites Ohr wurde fast weggeätzt. Das linke Auge ist trübe, das Lid hängt herunter. Die Säure war über das Gesicht geflossen und hat bis zum Oberkörper wulstige Narben und Rötungen hinterlassen.

Vanessa erinnert sich genau an die Säure-Attacke

Häufig haben Opfer nach einem Unfall oder einem Verbrechen wie diesem einen Filmriss - das ist auch ein psychologischer Schutzmechanismus. Vanessa dagegen kann sich an alle Einzelheiten erinnern. Es war Montag, der 15. Februar, gegen 5.30 Uhr, in Hannover-Leinhausen:

Wie jeden Morgen geht die junge Frau früh mit ihrem Hund aus dem Haus. Die Routine kennt ihr Ex-Freund Daniel, der ihr im Dunkeln auflauert. In seiner Jackentasche hält er in einem Glas abgefüllten industriellen Rohrreiniger mit Schwefelsäure griffbereit.

Die Attacke kommt für die Frau unvermittelt, alles geht ganz schnell. "Er kam aus dem Gebüsch, ich hatte keine Chance wegzurennen", erinnert sich Vanessa. Im Krankenwagen fällt sie in Ohnmacht.

Nach dem Aufwachen aus einem zwölftägigen Koma wird Vanessa zunächst der Spiegel verweigert. In den Scheiben der Intensivstation sieht sie dennoch ihr Bild. Ihr Gedanke dabei? "Oh Scheiße!", mehr nicht.

Die Medikamente, mit denen sie vollgepumpt ist, lindern die Schmerzen und dämpfen die Gefühle. Ein Auge ist fast komplett zerstört, der Mund hängt schief.

Täter wollen Frauen mit Säure-Angriff die Zukunft verbauen

Nach Einschätzung der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" ist ein solches Säureattentat in Deutschland eine Seltenheit. Es komme eher in Bangladesch und Indien vor, sagt Referentin Birte Rohles. Die Attentate würden vor allem von zurückgewiesenen Männern begangen. "Die Täter wollen die Frauen damit ihr Leben lang zeichnen, ihnen eine Zukunft verbauen. Auch wollen sie damit häufig verhindern, dass die Frau eine neue Beziehung eingehen wird."

Und wie denkt Vanessa über den Täter? "Er ist ein traumhaft schöner Mann", sagt die 28-Jährige über Daniel F. "Wenn ich das Aussehen mal weglasse, hätte ich viel früher sehen müssen, dass der total bekloppt ist." Er war wegen Gewalt- und Drogendelikten vorbestraft.

Nach dem Kennenlernen in einem Chat-Forum 2015 führte das Paar zunächst eine "Bilderbuchbeziehung". So schilderte es Vanessa als Nebenklägerin in dem Gerichtsprozess gegen den Angreifer. Beide waren Adoptivkinder, das verband die zwei. Doch bald häuften sich Streit und Spannungen.

Die Situation eskalierte. Er terrorisierte sie telefonisch, beleidigte sie über soziale Medien. Sie zeigte ihn bei der Polizei wegen Stalkings und Gewalt an. Kurz danach geschah der Überfall. Am 25. August wurde der 33-Jährige im Landgericht Hannover zu zwölf Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Dieses private Handyfoto zeigt das Säureopfer Vanessa Münstermann vor dem Anschlag in Hannover.
Foto: Vanessa Münstermann, dpa

Seit dem Angriff musste Vanessa Dutzende Eingriffe und Behandlungen über sich ergehen lassen. Bis ans Lebensende wird sie körperlich und seelisch unter den Folgen leiden. Und sie hat Angst um ihr Leben, sollte sie ihrem Peiniger irgendwann wieder begegnen. "Mir graut es davor, wenn er aus dem Gefängnis rauskommt", sagt sie. Ein solches Gefühl der Bedrohung kann ein Opfer in tiefe Depressionen stürzen. Vanessa jedoch war schon immer eine Kämpferin.

Deshalb hat sie den Jahrestag des Anschlags gewählt, um ihren Verein zu starten. Um es deutlich zu machen, dass sie schnell vorwärts gehen möchte. Sie will Opfern in ähnlichen Situationen am liebsten schon auf der Intensivstation helfen. Auch für Menschen, die von Geburt an entstellt sind, möchte sie Ansprechpartnerin sein.

Pro Jahr erleiden in Deutschland nach Angaben des Selbsthilfeverbandes Cicatrix rund 700 000 Menschen eine Verbrennung, dazu zählen auch Opfer von Strom und Säure. Etwa 18 000 von ihnen müssen im Krankenhaus, 3000 in einem Brandverletztenzentrum behandelt werden.

Opfer von Säureangriffen verstecken sich oft

Viele Verletzte ziehen sich zunächst zurück, sagt die Präsidentin von Cicatrix, Eva Aumann. "Man fühlt sich so, als ob man der einzige Betroffene sei." Vanessa Münstermanns Botschaft ist dagegen: "Seht her, sprecht mich an!" Für den Termin vor der dpa-Kamera hat sie knallroten Lippenstift gewählt und die Narben mit Theaterschminke abgedeckt. Die junge Frau strahlt von innen.

Vor dem Anschlag arbeitete Vanessa Münstermann als Angestellte in der Tankstelle ihres Stiefvaters und ihrer Mutter. Im Moment lebt sie noch von Krankengeld und setzt sich mit der Rentenversicherung auseinander. "Natürlich ist die Existenzangst da", sagt sie. "Ich bin wirtschaftlich wertlos."

Zwölf Jahre lang müsse sie sich wahrscheinlich noch immer wieder operieren lassen. Im Moment hat sie massive Probleme mit dem fast komplett zerstörten Auge: Sie sieht nur noch etwa 15 Prozent, die Wimpern wachsen nach innen.

Vanessa Münstermann musste sich zahlreichen ärztlichen Behandlungen unterziehen. Ihr Auge wurde beim Säure-Angriff schwer verletzt.
Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

Und der Täter, zeigt er Reue? Im Prozess war dies kaum der Fall, eher stellte er sich selber als Opfer dar. Der Richter bescheinigte ihm in der Urteilsbegründung großes Selbstmitleid.

Der Täter schreibt Vanessa Briefe aus der Haft

Daniel F. sitzt im Gefängnis in Hannover. Sein Verteidiger Max Marc Malpricht hat ein Revisionsgesuch eingereicht. Er möchte, dass die Haftzeit kürzer ausfällt. Der Bundesgerichtshof hat darüber noch nicht entschieden.

"Er schreibt mir Briefe, von wegen er liebt mich noch", sagt Vanessa über ihren Ex-Freund. "Er schreibt die Briefe nicht in dem Sinn, es tut mir leid, dass ich dir das angetan habe, sondern als ob wir einen Autounfall hatten. Nach dem Motto: "Wir müssen da jetzt durch"." Der Anwalt sagt, von den Briefen wisse er nichts.

Vanessas größter Wunsch ist, dass ihr Ex-Freund sie vergisst. Besonders vor Operationen, deren Narkosen sie schlecht verträgt, kommen Hassgefühle in ihr auf. "Ich sitze dann in meinem Zimmer und denke, er hat zwar Gitter davor, aber ich kann jetzt auch nicht einfach rausstiefeln und sagen, ich gehe jetzt shoppen. Er hat mich mit eingesperrt - und wenn es nur in meiner eigenen Haut ist."

Im Krankenhaus plagte Vanessa die Angst, nie wieder einen Mann abzukriegen, alleine zu sterben. Doch dann lernte sie schon in der Reha einen jungen Mann kennen, weitere Flirts folgten.

"Natürlich kann ich auch wieder Gewalt in der Beziehung erleben. Aber wenn ich mich einschränken würde, hätte Daniel das geschafft, was er wollte", sagt die 28-Jährige. Im Moment sei der Verein ihr Baby. Aber in fünf Jahren würde sie gerne wieder bei ihren Eltern ausgezogen sein, die ihr nach dem Anschlag das Dachgeschoss des Hauses zur Verfügung stellten. "Vielleicht ein Partner, der mich so akzeptiert wie ich bin, vielleicht auch mal Familie gründen, so schwierig sich das auch anhört mit mir - das wäre schön!" dpa

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