Schauspieler und Nebenjobs: Benny aus der „Lindenstraße“ hat ein Café
Christian Kahrmann, bekannt als Benny aus der „Lindenstraße“, betreibt inzwischen ein Café. Allein von der Schauspielerei kann er nicht leben. So geht es vielen seiner Kollegen.
Es gibt Leute, die nennen ihn immer noch Benny. An diesem Morgen stand so einer vor seinem Tresen. Ob er ein Erinnerungsfoto machen dürfe? Klar, durfte er. Ein Autogramm gab es auch. Christian Kahrmann macht das gerne. Er betrachtet es als Werbemaßnahme.
Kahrmann spielte sieben Jahre lang Benny Beimer in der TV-Soap „Lindenstraße“. Als er genug davon hatte, starb er den Serientod bei einem Busunfall. Heute muss er seinen Lebensunterhalt anders bestreiten – wie viele Schauspieler in Deutschland. Kahrmann betreibt ein Café im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg.
Götter der Leinwand? Der Schauspielalltag sieht anders aus
Gestern noch Kinderstar, heute Café-Besitzer: In der öffentlichen Wahrnehmung passt das nicht zusammen. Schauspieler, das sind für viele immer noch die Götter der Leinwand. Der Alltag sieht anders aus. In Deutschland gibt es rund 15 000 Schauspieler.
Doch nur 4,7 Prozent spielen in der Top-Liga mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100 000 Euro. Siebzig Prozent verdienen weniger als 30 000 Euro im Jahr. Die meisten bringen es auf magere zehn bis zwanzig Drehtage.
Viele Schauspieler kellnern oder putzen
Zum Leben reicht das nicht. Viele kellnern oder putzen daher. Das hat eine Studie ans Licht gebracht, die der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler in Auftrag gegeben hat. Rechtlich fallen Schauspieler durch alle Maschen, denn der Gesetzgeber behandelt sie wie abhängig Beschäftigte.
Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, müssen sie in den vergangenen zwei Jahren mindestens 180 Tage gearbeitet haben. Dieses Pensum schaffen aber nur Darsteller in Daily Soaps. Von den 710 Schauspielern, die der Verband für seine Studie befragte, traf das nur auf 33 zu.
Vielen geht es wie Rike Eckermann. Sie ist in der Berliner Theaterszene eine Größe, im Fernsehen sieht man sie selten. Im „Tatort“ zum Beispiel oder im „Polizeiruf 110“. Sie lebt von Hartz IV und sitzt alle zwei Monate im Jobcenter. „Das ist ein entwürdigendes Szenario“, sagt Eckermann, Absolventin der renommierten Schauspielschule Ernst Busch. Erst neulich habe ihr ihre Sachbearbeiterin geraten, etwas anderes zu lernen.
Selbst der gut beschäftigte Hannes Jaenicke ist frustriert
Leerlauf zwischen den Rollen – auch gefragte Schauspieler wie Hannes Jaenicke kennen das. Auch sein Arbeitspensum schwankt. Wenn es gut läuft, dreht er an hundert Tagen im Jahr, manchmal kommt er aber nur auf dreißig. Hartz IV? Er winkt ab. „Ich war noch nie in meinem Leben stempeln, was in Bezug auf die ohnehin tragische Rentenperspektive ziemlich dumm ist.“
Jaenicke kann sich das leisten. Er ist gut im Geschäft. Aber auch ihn frustrieren die schlechter werdenden Drehbedingungen. „Es wird immer schneller und schlampiger produziert“, sagt er. Bei den Charakter- und Nebenrollen zähle nicht mehr die Eignung eines Schauspielers, sondern wie billig er sei und ob er in der Stadt, in der gedreht werde, privat unterkommen könne.
„Die Grenze des Machbaren ist erreicht“, heißt es bei der Produzenten-Allianz. Den Sparzwang können die Produzenten anhand des „Tatort“ zeigen. Der, so heißt es bei der Allianz, werde heute für etwa 75 Prozent des Budgets von 2004 hergestellt.
Christian Kahrmann kann sich seine Jobs mittlerweile aussuchen
Der Mann, der mal Benny Beimer war, hat im Gegensatz zu anderen die Kurve gekriegt. Eine Hauptrolle in der RTL-Comedyserie „Und tschüss!“, Ausflüge ins Kino – Kahrmann sagt, mit sechzig Drehtagen im Jahr sei er damals gut ausgelastet gewesen. Doch als 2002 mit der Kirch-Gruppe einer der größten Auftraggeber für TV-Filme pleiteging, begann auch für ihn eine Durststrecke. 2012 hat er sich dann den Traum vom eigenen Café erfüllt, „Kahrmann’s Own“.
Er dreht immer noch nebenbei an 50 Tagen, zur Hälfte hat er Episodenrollen in Serien, zur Hälfte Rollen in künstlerisch ambitionierteren Produktionen, oft ohne Gage. Er genießt es, sich die Engagements mittlerweile aussuchen zu können. Eine gute Rolle erfordere eben dasselbe wie ein „geiler Espresso“: Qualität, Leidenschaft und Freude, sagt er.
Die Diskussion ist geschlossen.