Ägypten: Konflikt zwischen Christen und Muslimen eskaliert
In Ägypten gerät der religiöse Hass zwischen Muslimen und Kopten aus den Fugen. 13 Menschen starben bei Straßenschlachten. Wie es dazu gekommen ist.
Während des 18-tägigen Aufstands, der zur Entmachtung von Ägyptens Präsident Husni Mubarak führte, demonstrierten Muslime und Christen auf dem Tahrir-Platz in Kairo noch in trauter Eintracht. Doch in der Nacht zum Mittwoch entlud sich der religiöse Gruppenhass auf schreckliche Weise. Mindestens 13 Menschen - christliche Kopten und Muslime - ließen bei den stundenlangen erbitterten Straßenschlachten in der ägyptischen Hauptstadt ihr Leben. Die Spannungen, die zu der Tragödie führten, bauten sich über mehrere Tage auf.
Am vergangenen Wochenende gerieten in der Ortschaft Sol südlich von Kairo, Christen und Muslime aneinander. Anlass war die Eheschließung eines christlichen Mannes mit einer Muslimin. Für die Muslime war dies unzulässig, weil aus ihrer Sicht - und nach den ägyptischen Gesetzen - ein Nicht-Muslim eine Muslimin nur dann heiraten darf, wenn er vorher zum Islam konvertiert. Bei dem handgreiflichen Streit zwischen den beiden Familien kamen beide Clan-Vorsteher ums Leben. Muslimische Hitzköpfe zogen daraufhin durch die Ortschaft und steckten die koptische Märtyrer-Kirche in Brand. Seit dem Wochenende demonstrieren deshalb Hunderte Kopten vor dem Fernsehgebäude in Kairo, um vom Militär einen besseren Schutz für ihre Glaubensgemeinde und Gotteshäuser zu verlangen.
Am Dienstagabend schlossen sich die christlichen Zabbalin - die Müllsammler von Kairo - dem Protest an. Diese Außenseiter der ägyptischen Gesellschaft leben in der Manschiat Nasser, der "Müll-Stadt", am Fuße des Mokattam-Hügels im Süden Kairos. Mit einer Sitzblockade auf einer der Hauptzufahrten zum darüber gelegenen Mokattam-Plateau schnitten sie den dort lebenden, weitaus besser gestellten muslimischen Bewohnern mitten in der Stoßzeit den Heimweg von der Arbeit ab. Die Emotionen begannen hochzukochen. Irgendwann griffen schließlich mit Messern, Brandsätzen, Steinen und auch Schussgerät bewaffnete Muslime die bislang friedlich blockierenden Christen an. Die Zabbalin setzten sich zur Wehr. Die Situation geriet völlig außer Kontrolle. Erst nach stundenlangen Straßenschlachten schritt das Militär ein, um die Gewalt zu stoppen. Hineingezogen wurden schließlich auch die unbeteiligten christlichen Bewohner der Nachbarviertel Saida Aischa und Al-Kala. Fanatisierte Muslime setzten mindestens 15 Häuser von Christen in Brand.
Nicht unerwartet
Die Zusammenstöße kamen für Beobachter nicht unerwartet. Die Kopten stellen etwa zehn Prozent der 80 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Ägyptens. Der Hass zwischen Teilen der religiösen Mehrheit und der Minderheit ist ein schweres Erbe der Mubarak-Ära. Blutige Konflikte auf lokaler Ebene brandeten immer wieder auf. Das alte Regime begünstigte in populistischer Manier die muslimische Mehrheit und verletzte damit das Gerechtigkeitsgefühl der Angehörigen der Minderheit. Zugleich appellierte das Regime aber an den Schutzreflex der zahlenmäßig weit schwächeren koptischen Gemeinde, indem es sich als Bollwerk gegenüber dem islamischen Extremismus gerierte. Offenbar kamen hier auch die zynischen Manipulationen des Geheimdienstes zum Tragen.
Als am Wochenende Aktivisten der Demokratiebewegung die Staatssicherheitszentralen stürmten, stießen sie auf verblüffende Dokumente. Deren Echtheit muss sich freilich erst erweisen. Falls es aber keine Fälschungen sind, dann geht daraus hervor, dass etliche der jüngsten blutigen Zusammenstöße zwischen Christen und Muslimen von Informanten des Geheimdienstes angeheizt worden waren. dpa
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