Alltäglicher Rassismus in Ferguson: "Kugeln hätten auch mich treffen können"
In Ferguson klagen schwarze Bürger über alltäglichen Rassismus. Schon seit Jahren sind sie der Meinung, von der Polizei ungerecht behandelt zu werden.
"Yes Sir", "No Sir" sagen und die Hände über den Kopf halten - Der Schwarze Sean Jackson hat seinem 25-jährigen Sohn genau eingetrichtert, wie er sich im Umgang mit der Polizei verhalten soll, wenn er am Leben bleiben will. In der Kleinstadt Ferguson im US-Bundesstaat Missouri hat die Polizei in der überwiegend schwarzen Bevölkerung seit Jahren einen schlechten Ruf. Die Situation eskalierte, als der weiße Polizist Darren Wilson im August den schwarzen Teenager Michael Brown auf offener Straße tötete. Wilson feuerte am helllichten Tag mehrere Schüsse auf den unbewaffneten 18-Jährigen ab, unter anderem auf dessen Kopf.
Ferguson: Heftige Empörung über Jury-Entscheidung
"In Ferguson ist jeder schwarze Autofahrer nervös, weil er Angst vor Polizeikontrollen hat", sagt der 45-jährige Jackson. "Angst, getötet zu werden, ins Kittchen zu kommen oder ein Bußgeld berappen zu müssen. Wenn jeden Tag die Nerven blank liegen, ist das nicht lustig", fügt Jackson hinzu.
Am Montag hatte der für seine guten Beziehungen zur Polizei bekannte Staatsanwalt Robert McCulloch die Entscheidung der mehrheitlich aus Weißen zusammengesetzten Grand Jury bekannt gegeben, Wilson nicht vor Gericht zu stellen. Auf die heftige Empörung gegen die Jury-Entscheidung, die sich auch in Plünderungen und Brandschatzungen Bahn brach, reagierten Polizisten und Nationalgardisten mit der gewohnten Härte. In Kampfanzügen und mit Sturmgewehren gingen sie - unterstützt von gepanzerten Fahrzeugen - mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor.
Wahrscheinlichkeit, erschossen zu werden ist für Schwarze sieben Mal höher
Fergusons Einwohner sind zu zwei Dritteln schwarz, doch der Bürgermeister ist weiß, und der Anteil der Afroamerikaner im Stadtrat und bei der Polizei ist verschwindend gering. Laut einem UN-Bericht sind Schwarze in den USA dagegen stark überrepräsentiert unter jenen Bürgern, die "festgenommen, angeklagt, verurteilt, eingesperrt und zu lebenslanger Haft verurteilt werden". Darüber hinaus sei die Wahrscheinlichkeit erschossen zu werden, für schwarze Männer sieben Mal höher als für weiße, erklärte der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung.
Der 56-jährige Ferguson-Einwohner Darrell Alexander ist sich sicher: "Als Schwarzer hätten die Kugeln auch mich treffen können." Darüber, dass Wilson nicht wegen Mordes und noch nicht einmal wegen Totschlags angeklagt werde, sei die Jugend "zu Recht aufgebracht", sagt der Krankenpfleger im Ruhestand. Der Fall Michael Brown sei "reiner Rassismus", von Gerechtigkeit "keine Spur". Alexander unterstützt die Arbeit der Organisation Copwatch, die Klagen gegen Polizisten sammelt und auswertet.
Ferguson stehe kurz vor der Explosion
Alexander erzählt, wie ihn die Polizei vor zwei Jahren anhielt, als er mit dem Auto in seinem wohlhabenden Stadtviertel unterwegs war. "Mit meiner Dreadlock-Frisur passte ich nicht in den Rahmen, deshalb war ein Bußgeld fällig", seufzt er. "Privilegierte weiße Amerikaner können das nicht verstehen. Ihnen passiert so etwas nicht."
Die schwarze Krankenschwester MZ Tay trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "Keine Gerechtigkeit - Kein Frieden". Ferguson stehe kurz vor der Explosion, sagt sie mit tränenerstickter Stimme. "Das ist erst der Anfang, denn alle stehen noch unter Schock. Sie fühlen sich an die Zeit der Sklaverei erinnert, und das wird sich früher oder später in noch mehr Gewalt entladen." Sie selbst fahre ein teures Auto und müsse immer wieder erniedrigende Polizeikontrollen wegen angeblichen Drogenhandels über sich ergehen lassen. Sicherheitshalber habe sie jetzt eine Kamera im Handschuhfach, um Übergriffe dokumentieren zu können. afp
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