Bayern hinkt bei der Kinderbetreuung hinterher
Im Freistaat fehlen fast 11.000 Erzieherinnen und Erzieher. Das würde pro Jahr 462 Millionen Euro kosten. Baden-Württemberg dagegen ist mal wieder auf dem Weg zum „Musterländle“.
Baden-Württemberg ist im Kita-Bereich auf dem Weg zum „Musterländle“, der Freistaat Bayern hingegen hinkt bei der Personalausstattung seiner Kindergärten dem Rest der Republik etwas hinterher und muss noch ordentlich in zusätzliches Personal investieren.
Während im Südwesten bei den Unter-Dreijährigen auf eine Erzieherin 3,3 Kinder kommen, was den bundesweit zweitbesten Personalschlüssel hinter dem Stadtstaat Bremen bedeutet, sind es in Bayern 3,9 Kinder. Damit liegt der weißblaue Freistaat knapp hinter dem Durchschnitt der westlichen Bundesländer (3,8 Kinder).
Das geht aus dem neuesten „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung hervor, der am Freitag vorgestellt wurde. Nicht viel besser sieht es auch bei der Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen aus. In Baden-Württemberg muss sich eine Erzieherin im Durchschnitt um acht Kinder kümmern, in Bayern um 9,1 Kinder.
Berücksichtigt man noch Fehlzeiten, beträgt der tatsächliche Schlüssel im „Ländle“ eins zu elf, im Freistaat sogar eins zu zwölf. Auch bei den Über-Dreijährigen liegt Bremen an der Spitze, Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, wo eine Erzieherin für 15 Kinder verantwortlich ist.
Es würde zwar mehr kosten, es würde sich aber auch lohnen
Nach den Ergebnissen der Studie fehlen in der gesamten Bundesrepublik 120.000 Erzieherinnen und Erzieher, um eine kindgerechte und pädagogisch sinnvolle Arbeit leisten zu können. Die Stiftung empfiehlt einen Schlüssel von einer Erzieherin für drei Kinder bei den Kleinen und für 7,5 Kinder bei den Über-Dreijährigen.
In Baden-Württemberg wären nach den Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung 5150 zusätzliche Vollzeitkräfte nötig, um dieses Ziel zu erreichen – 1600 für die Unter-Dreijährigen und 3550 für die Drei- bis Sechsjährigen. Dies würde zusätzliche Personalkosten von 224,5 Millionen Euro bedeuten, was einem Anstieg der derzeitigen Personalkosten im Kita-Bereich (2,1 Milliarden Euro) um etwas mehr als zehn Prozent entspricht.
Bayern müsste mehr als doppelt so viele neue Erzieherinnen und Erzieher einstellen – 10900, davon 4700 für die frühkindliche Betreuung und 6200 für die Kinder ab drei Jahren. Die Zusatzkosten belaufen sich nach Berechnungen der Stiftung auf 462 Millionen Euro, was einem Anstieg der Personalkosten (derzeit rund zwei Milliarden Euro) um gut 23 Prozent zur Folge hätte. „Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die sich aber lohnt, weil die Kita-Qualität entscheidend ist für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen für alle Kinder“, sagt Jörg Dräger, der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.
Da die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zum Teil gravierend sind, fordert die Bertelsmann-Stiftung einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt werden sollten. „Der Kita-Rechtsanspruch hat die Bundesländer gezwungen, die Quantität der Kita-Plätze zu erhöhen. Nun sollte ein Bundes-Kita-Gesetz dafür sorgen, dass auch überall die Qualität stimmt“, sagt Dräger. Bund und Länder sollten dabei unter anderem die Zeitbudgets für Leitungsaufgaben sowie Qualitätskriterien für Fort- und Weiterbildungen und Mindeststandards bei der Mittagsverpflegung anheben.
Die 120.000 zusätzlichen Erzieherinnenstellen würden nach Berechnungen der Stiftung jährliche Kosten von fünf Milliarden Euro verursachen. Das wäre ein Anstieg um 36 Prozent. Ohne stärkeres finanzielles Engagement des Bundes seien diese Ausgaben allerdings für die meisten Bundesländer und Kommunen kaum zu stemmen.
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte an, die Diskussion um eine hochwertige frühkindliche Betreuung offensiv weiterführen zu wollen. So soll es im Herbst eine Konferenz der Jugend- und Familienminister des Bundes und der Länder zu diesem Thema geben. Gute Qualität in Kitas gehe nur zusammen mit allen Beteiligten. „Das heißt, auch Länder, Kommunen und Träger müssen in die Entwicklung von Standards eingebunden werden. Das gehen wir jetzt an“, so Schwesig.
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