Edathy-Affäre: Ins Gefängnis muss er wohl nicht
Im Februar beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Edathy. Das Gericht spielt den Fall herunter. Aber wo steckt der Angeklagte überhaupt?
Nur ein Jahr nach dem Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff steht der niedersächsischen Justiz erneut ein politisch brisantes Verfahren ins Haus. Vom 23. Februar an muss sich der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy vor dem Landgericht Verden verantworten. Er soll von einem einschlägig bekannten Anbieter in Kanada mehrfach kinderpornografisches Material bezogen haben.
Was genau legt die Staatsanwaltschaft Edathy zur Last?
Zwischen dem 1. November 2013 und dem 12. Februar 2014 soll der gelernte Soziologe sich mithilfe seines dienstlichen Laptops, den er beim Bundestag später als gestohlen gemeldet hat, siebenmal kinderpornografische Bilder und Videos aus dem Internet heruntergeladen haben. Außerdem fanden die Fahnder in seinem Wahlkreisbüro einen Bildband „Boys in ihrer Freizeit“ und eine CD mit dem Titel „Movie.“ Die Staatsanwaltschaft Hannover hält auch die Aufnahmen dort für eindeutig kinderpornografisches Material. Edathy selbst hat lediglich zugegeben, Bilder von nackten Jungen besessen zu haben, allerdings keine strafbaren Fotos und Filme. Bei den von ihm georderten Aufnahmen, behauptet der 45-Jährige mit dem Hinweis auf die jahrhundertealte Tradition des männlichen Aktes, handle es sich um Kunst.
Mit welcher Strafe muss Edathy im Falle einer Verurteilung rechnen?
Theoretisch drohen ihm bis zu zwei Jahre Haft. Wahrscheinlicher sind jedoch eine Geldstrafe oder eine kurze Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Edathy zur Last gelegten Straftaten, heißt es in einer Mitteilung des Gerichtes, wiesen „kein besonderes Ausmaß“ auf, weil es sich um vergleichsweise wenige Taten und um eine begrenzte Anzahl an Zugriffen auf einschlägiges Material handle. Im Falle einer Verurteilung wäre die Strafe „eher im unteren Bereich“ anzusiedeln.
Warum findet der Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes statt und nicht im Amtsgericht?
Die Richter in Verden begründen das mit der besonderen Bedeutung des Falles und dem großen öffentlichen Interesse. Angeklagt ist ein ehemaliger Abgeordneter, der nicht nur Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses war, sondern dessen tiefer Sturz auch den früheren Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mitgerissen und ihn seinen Platz im Kabinett gekostet hat. Dazu komme, dass die Edathy zur Last gelegten Käufe unter anderem über die Rechner des Bundestages abgewickelt worden seien.
Mit einer Verfassungsbeschwerde ist Edathy im August gescheitert. Was macht er heute?
Das wissen auch seine früheren Freunde in der SPD nicht. Seit Februar ist der Sohn eines indischen Pfarrers und einer Deutschen untergetaucht, angeblich hält er sich im Ausland auf. In einem Interview mit dem Spiegel hat er betont, er habe mehrfach Morddrohungen erhalten und könne daher nicht zurück in die Bundesrepublik. Seine Mitgliedsrechte bei der SPD ruhen nach einem Beschluss des Parteivorstandes bis auf Weiteres, über einen Ausschluss wollen die Genossen erst nach Abschluss des Verfahrens entscheiden. Gelegentlich meldet Edathy sich via Facebook zu Wort. Dann beklagt er sich über den „unreflektierten Müll“, der über ihn geschrieben werde und seine „öffentliche Hinrichtung“. Seine Homepage als Abgeordneter ist noch immer online, allerdings seit dem 8. Februar nicht mehr aktualisiert worden, dem Tag nach seinem Rückzug aus dem Bundestag, den er mit gesundheitlichen Problemen begründet hatte.
Wie kommt der Untersuchungsausschuss des Bundestages voran?
Eher zögerlich. Der Ausschuss soll unter anderem klären, ob Edathy möglicherweise vor den Ermittlungen gegen ihn gewarnt worden ist. Für 18. Dezember ist er selbst als Zeuge geladen. Selbst wenn er von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen sollte: Erscheinen soll Edathy nach dem Willen des Ausschusses auf jeden Fall. Es wäre sein erster öffentlicher Auftritt seit mehr als zehn Monaten. Der nächste wäre dann vermutlich der vor dem Landgericht in Verden.
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