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Justiz
08.03.2013

Jüngstes Gericht: Wenn Schüler über Schüler urteilen

Aylin Ergin (links), Dominik Frey und Sophia Lubin vom kriminalpädagogischen Schülergremium "KRIPS" bei ihrer Arbeit am Runden Tisch.
3 Bilder
Aylin Ergin (links), Dominik Frey und Sophia Lubin vom kriminalpädagogischen Schülergremium "KRIPS" bei ihrer Arbeit am Runden Tisch.
Foto: Ulrich Wagner

In Augsburg richten junge Menschen über junge Straftäter - in echten Fällen. Dabei schlagen sie erzieherische Maßnahmen vor, die häufig kreativ ausfallen.

Fall 490 ist pünktlich. Der 15-Jährige wartet auf einem Stuhl im Flur darauf, dass ihn Dominik Frey und seine zwei Kolleginnen Aylin Ergin und Sophia Lubin hereinbitten. Er ist hier, weil er in einem Geschäft in der Augsburger Bahnhofstraße Kleidungsstücke im Wert von 50 Euro gestohlen hat. Gleich urteilen deshalb drei Jugendliche über ihn. Immer wieder wippt der Schüler nervös mit seinem rechten Fuß. Die meiste Zeit sieht er auf den Parkettboden, richtet seinen Kopf immer nur kurz auf, schielt auf die Tür gegenüber.

Dahinter werfen die drei Mitglieder des Augsburger kriminalpädagogischen Schülergremiums einen letzten Blick in die Akte des 15-Jährigen, die ihnen die Staatsanwaltschaft übergeben hat. Den Raum dominiert ein runder Tisch, bunte Bilder hängen an den Wänden, Zimmerpflanzen sorgen für eine wohnliche Atmosphäre. In der Ecke steht ein Kasten Mineralwasser, auf dem Tisch laden Süßigkeiten zum Zugreifen ein. Einen Gerichtssaal stellt man sich eigentlich anders vor. "Die Jugendlichen sollen locker werden", sagt Gymnasiast Dominik im weiten Kapuzenpullover und nimmt einen Schluck von seiner Apfelschorle. "Auf dieser Schiene wollen wir zu ihnen durchdringen."

Wer Beschuldigter ist, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen

Gemeint sind straffällig gewordene Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren, die ohne Führerschein unterwegs waren, in einem Kaufhaus etwas geklaut oder eine Unterschrift gefälscht haben. Wer in vollem Umfang geständig und mit einem Beratungsgespräch unter Gleichaltrigen einverstanden ist, der ist ein Fall für den 17-jährigen Dominik und seine Kollegen vom Projekt KRIPS, dem kriminalpädagogischen Schülergremium. Ein großer Begriff für eine große Aufgabe: richtig urteilen über die Straftaten Gleichaltriger. Beim Verein "Brücke" in Augsburg richten seit fünf Jahren Jugendliche über Jugendliche aus der Region. Rund 100 Anzeigen, ausgewählt von der Staatsanwaltschaft, werden jährlich auf diese Weise bearbeitet - echte Fälle mit echten Konsequenzen.

In Augsburg allerdings erinnert nur wenig an eine klassische Gerichtsverhandlung, hier ist der Runde Tisch symbolisch zu verstehen. Während in einem gewöhnlichen Gerichtssaal der Richter den Raum dominiert - frontal und mit einer gewissen Distanz zum Angeklagten - sitzen die Schüler hier nebeneinander. Auch von ihrer lässigen Kleidung unterscheiden sie sich nicht. Wer Richter und wer Beschuldigter ist - das lässt sich auf den ersten Blick nicht ausmachen.

Richterliche Kompetenzen haben die Jugendlichen nicht

Die vier Jugendlichen sprechen heute gemeinsam über die Anzeige, die der 15-Jährige kürzlich bekommen hat. Richterliche Kompetenzen haben die drei Gremiumsmitglieder bei dieser Form der Verhandlung nicht: Sie können kein Urteil verkünden und keine Strafe vollstrecken. Stattdessen dürfen die Jugendlichen erzieherische Maßnahmen vorschlagen, die oft kreative Aufgaben wie das Anfertigen einer Collage oder das Schreiben eines Aufsatzes sind. In nahezu allen Fällen legt die Staatsanwaltschaft im Anschluss ihre Vorwürfe zu den Akten - und der Beschuldigte erspart sich einen Eintrag ins Strafregister.

Den Grundgedanken hinter dem Projekt formuliert der Münchner Strafrechtler Heinz Schöch, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, so: "Jugendlichen ist die Meinung Gleichaltriger oft besonders wichtig." Missbilligende Reaktionen von Altersgenossen erscheinen Schöch zufolge daher geeignet, jugendliche Täter vom Unrecht ihrer Straftat zu überzeugen und sie zum Umdenken zu bewegen.

"Kreative Maßnahmen" schmücken auch den hellen Raum am Rande der Augsburger Innenstadt, der - wenn nicht gerade eine Sitzung stattfindet - ein gewöhnliches Büro ist. "Crime is no solution" hat ein Mädchen in Graffitischrift auf eine weiße Leinwand gezeichnet: Kriminalität ist keine Lösung. Auf dem Bild darunter hat ein Schüler einen selbst getexteten Rap über seinen Diebstahl aus Langeweile niedergeschrieben. "Da war ein Elektronikladen, der kam uns sehr gelegen, so gingen wir hinein und grinsten ganz verwegen", heißt es darin. Über 40 Zeilen hat der Jugendliche als Strafe für den Diebstahl von Computerspielen zusammengetragen.

Erstes Kennenlernen beim obligatorischen Vorgespräch

Direkt vor dem Werk seines Vorgängers findet sich heute der 15-jährige Schüler, der versucht hat, Kleidung zu stehlen, wieder. Mit am Tisch sitzen die drei Gremiumsmitglieder. Den Jugendlichen haben sie bereits kennengelernt. Vor genau einer Woche war er gemeinsam mit seiner Mutter zum obligatorischen Vorgespräch hier. "Damals war er sehr zurückhaltend, hat kaum etwas gesagt", erzählt Aylin. Sozialpädagogin Brigitte Schürmann ist ebenfalls mit im Raum, hat allerdings etwas abseits hinter ihrem Schreibtisch Platz genommen. "Ich beaufsichtige nur, das ist eine Sache zwischen Jugendlichen", erklärt sie später. Natürlich könne eine Sitzung auch mal eskalieren. "Das kam aber noch nie vor."

Noch nie geklaut hat angeblich der 15-Jährige. In dem Geschäft hat er zum Zeitpunkt des Diebstahls gerade ein Praktikum absolviert - gemeinsam mit einem Freund. Nachdem die beiden Kumpels kurz vor Feierabend mehrere Kleidungsstücke in ihre Rucksäcke gepackt hatten, lösten sie am Ausgang Alarm aus. Die Anzeige folgte prompt. "Sein Problem ist sein Freundeskreis", sagt Aylin über die Tat. Der 15-Jährige sei "der typische Mitläufer", analysiert sie weiter.

Welche Jugendlichen für das Amt der Gremiumsmitglieder infrage kommen, hat Wissenschaftler Schöch in einem Aufsatz festgehalten: Gute schulische Leistungen, Dialogfähigkeit und ein gefestigter Charakter sind Voraussetzungen. Insgesamt melden sich wesentlich mehr Mädchen als Jungen für die freiwillige Aufgabe, sagt Erwin Schletterer, Geschäftsführer des Augsburger Vereins "Brücke". "Wünschenswert ist eine gute Mischung", sagt er und spielt damit auch auf die unterschiedliche Schulbildung an. In Augsburg engagieren sich 30 Jugendliche, darunter fast ausschließlich Gymnasiasten.

Expertin warnt: Gespräche müssen auf Augenhöhe geführt werden

Sabrina Hoops, die sich am Deutschen Jugendinstitut in München seit Jahren mit dem Thema Jugendkriminalität beschäftigt, beäugt diesen Umstand deshalb auch kritisch: "Gibt es zwischen dem Gremium und dem straffällig gewordenen jungen Menschen zu große Unterschiede, etwa in der intellektuellen oder sozialen Kompetenz, kann leicht eine Überlegenheits- oder Unterlegenheitssituation entstehen." Wenn dann ein "benachteiligter Jugendlicher" das Gefühl habe, sich vor einem "eloquenten Abiturienten" rechtfertigen zu müssen, sei ein Gespräch auf Augenhöhe oft nicht mehr möglich. Man könne sich dann fragen, ob ein solches Beratungsgespräch tatsächlich zielführend und positiv für die Entwicklung des Beschuldigten sei.

Auch die 17-jährige Aylin, seit 2010 Mitglied bei KRIPS, ist Gymnasiastin, steht kurz vor ihrem Abitur. Der heutige Diebstahlsfall ist Routine für sie. "Ein Klassiker", sagt Aylin und winkt ab. Die junge Augsburgerin, die beim Erzählen gerne gestikuliert, wurde vor drei Jahren von einem Lehrer für das Projekt vorgeschlagen. Wie alle anderen Teilnehmer musste sie an zwei Wochenendseminaren teilnehmen, bei denen unter anderem ein Staatsanwalt und ein Polizist referieren, und sich auf die Gremiumsarbeit vorbereiten. In den vergangenen drei Jahren hat Aylin viele Erfahrungen im Umgang mit straffälligen Jugendlichen in ihrem Alter gesammelt. Sie erzählt gerne davon, wirkt dabei zu keinem Zeitpunkt überheblich. "Mit Macht hat das nichts zu tun", sagt Aylin, die nach ihrem Abitur Sozialpädagogik studieren will.

Auch beim bislang "spektakulärsten Fall" in Augsburg, wie ihn Schürmann nennt, war die Abiturientin dabei. 2010 hatte ein damals 17-Jähriger ein Auto geknackt und war damit rund hundert Meter weit gefahren. Als ihn die Polizei - wegen eines defekten Blinkers - aufhielt, wollte er flüchten. "Da waren wir schon überrascht, dass uns die Staatsanwaltschaft so einen Fall überlässt - das ist ja nun keine Lappalie", erzählt Aylin.

Trotz Erfolgen keine überzogenen Erwartungen

Als erzieherische Maßnahme sollte der 17-Jährige unter anderem ein Entschuldigungsschreiben an den Besitzer des Autos schicken, sowie einen Aufsatz zum Thema "Was hätte passieren können, wenn ich nicht aufgehalten worden wäre" schreiben. Das habe er damals anstandslos erfüllt, erinnert sich Aylin. Allgemein werden beim Projekt in Augsburg einer internen Statistik zufolge nur fünf Prozent aller Aufgaben nicht erledigt. Auch die Rückfallquote ist laut Staatsanwaltschaft und Verein gering, genaue Zahlen liegen jedoch nicht vor.

Ob jede Verhandlung und damit jede Maßnahme sinnvoll und notwendig ist, stellt Sabrina Hoops vom Jugendinstitut aber infrage. Im Einzelfall könne eine solche, für sonst unauffällige Ersttäter mit jugendtypischen Bagatelldelikten durchaus eine unnötige Belastung sein. "Vielleicht würde so mancher Fall gar nicht erst verhandelt, sondern sofort zu den Akten gelegt werden", sagt die Expertin. Dass mit dem Projekt allgemein Jugendkriminalitätsprobleme gelöst werden könnten, ist laut Hoops zu weit gegriffen. "Auch wenn es Erfolge gibt: Man sollte keine überzogenen Erwartungen haben."

Vom 15-Jährigen erwarten die drei Schülerrichter in den nächsten Wochen, dass er ein Taekwondo-Training absolviert. "Er muss an seiner Körpersprache und seinem Selbstbewusstsein arbeiten", lautet das Fazit von Aylin nach dem einstündigen Gespräch. "Er muss lernen, nein zu sagen."

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