Parteitag: Twitter-Wettkampf mit der FDP
Technische Probleme, laute Zwischenrufe, Endlosdebatten und viel Gelächter: Bundesparteitag der Piraten. Sebastian Nerz ist neuer Vorsitzender.
Das Parteitage nicht selten auch zu innerparteilichen Kampftagen werden, ist nichts Neues. Das ist auch bei der noch recht jungen Piratenpartei so. Doch neben den Kontroversen im Saal im baden-württembergischen Heidenheim tobt an diesem Wochenende gleichzeitig die Debatte im Netz. Vor allem im Kurznachrichtendienst Twitter debattieren die Parteimitglieder, die ununterbrochen auf hunderten Laptops, Smartphones und Tablet-PCs lesen und tippen. Nicht immer verlaufen die Diskussionen bei den Piraten in geordneten Bahnen - doch will die Partei nun Kurs nehmen und endlich Erfolge erzielen.
Die Partei will nach Außen hin künftig geschlossen und als "die" freiheitlich-demokratische Kraft auftreten. Sie will sich nicht länger auf eine skurrile Kleinstpartei reduziert werden, die sich nur im Internet- und Datenschutzthemen kümmert. Zwar soll das der "Markenkern" bleiben. Dafür steht der am Samstagabend gewählte neue Vorsitzende Sebastian Nerz ein.
Vorschläge machen statt nur Kritik äußern heißt die neue Richtung, die Nerz seiner Partei vorgibt. Von der neuen Volkszählung bis zur Gesundheitskarte, zu der sie Alternativen vorschlagen sollten, statt sie nur zu kritisieren. In seinem Heimatland Baden-Württemberg kamen die Piraten Ende März bei der Landtagswahl aus dem Stand auf 2,1 Prozent der Stimmen. Das sei zwar ein Erfolg, aber zu vieles gehe bei der rund fünf Jahre alten Partei immer noch drunter und drüber. "Wir können nicht über ein Grundsatzprogramm zu Wirtschaftsthemen reden und vier Arbeitsgruppen gleichzeitig sitzen daran, ohne dass sie voneinander wissen", sagt der 27-jährige Bioinformatik-Diplomand.
Tagung in der schwäbischen Provinz
Auch wenn die Piratenpartei anders ist und darauf viel wert legt: Personalentscheidungen werden auch hier mit harten Bandagen ausgefochten. Die Wahl zum neuen Parteichef kann Nerz am Samstagabend mit 60,6 Prozent relativ klar für sich entscheiden - bei neun Gegenkandidaten und nach einer Vorstellungsrunde, in der auch sein Hauptkonkurrent Christopher Lauer punkten kann. Manche kreiden dem Baden-Württemberger Nerz an, dass er sich einige Jahre in der CDU engagiert hat. Andere vermuten, dass der neue Bundeschef davon profitiert, dass man in der schwäbischen Provinz tagt.
Als Ausgleich zwischen Süd- und Nordpiraten wird denn auch am Sonntag der in Hamburg und Berlin ansässige 40-jährige Bernd Schlömer zum neuen Vizechef gewählt. Und der neue Generalsekretär Wilm Schumacher stammt aus Thüringen. "Kampagnenfähig" müssten sie werden, hat Gegenkandidat Lauer das Ziel für die nächste Bundestagswahl 2013 formuliert. Doch zu viel Einengen lassen wollen sich zumindest die Piraten im Saal nicht. Auch ein Satirekandidat tritt da für den Parteivorsitz an und skandiert mit Bierdose in der Hand, er könne das auch, sich hinstellen und "so 'nen Scheiß" erzählen.
Zumindest im Netz schaffen es die Piraten aber ganz gut, die Hoheit zu gewinnen - das ganze Wochenende lang werden kleine Scharmützel mit der in Rostock tagenden FDP ausgetragen. Ein Augsburger Pirat zieht unter seinem Nutzernamen "@webrebell" etwa über die Zahl der ausstellenden Firmen bei den Liberalen vom Leder. Die FDP mosert, die Zahl der rund 600 Mitglieder beim Parteitag in Heidenheim sei gerade mal vergleichbar mit der Zahl der Journalisten in Rostock. Doch bei der Zahl der Tweets, den Kurznachrichten bei Twitter, können die Piraten locker mit den Liberalen mithalten.
Eine Partei wie jede andere
In manchen Momenten sind die Piraten bei ihrem Bundesparteitag eine Partei wie jede andere: Stundenlange Diskussionen über die Ordnung für das Parteischiedsgericht, oder wie ungerechte Urteile gegen einzelne Mitglieder verhindert werden könnten. Christina Herlitzschka, eine Studentin aus Düsseldorf, verdreht die Augen, als es bei der Debatte um den Parteivorsitz persönliche Angriffe hagelt - ihr und vielen anderen in den 16 Landesverbänden wäre ein bisschen mehr Geschlossenheit lieb. Denn schließlich steht schon am 22. Mai die nächste Wahl an - in Bremen. Die Piraten werden wohl kaum in die Bürgerschaft einziehen. Aber sie wollen wahrgenommen werden. dpa
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