"Pegida" und die Ratlosigkeit der Politik
In Dresden leben kaum Muslime, dennoch ist die Stadt zum Epizentrum einer neuen, islamkritischen Bewegung geworden. Den Parteien müsste das zu denken geben. Aber tut es das auch?
Fremd im eigenen Land sind sie noch nicht, die Sachsen. Mit einem Ausländeranteil von etwas mehr als zwei Prozent hat der Freistaat alles – aber kein Zuwanderungsproblem. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet in Dresden das Epizentrum der Pegida-Bewegung liegt. In einer prosperierenden Stadt, die mit der Aufnahme von 10000 Flüchtlingen innerhalb von drei Jahren eigentlich keine größeren Probleme haben sollte und in der dennoch Montag für Montag mehr Menschen gegen eine angebliche Islamisierung des Abendlandes protestieren.
Mit der rechten Szene oder den randalierenden Hooligans, die in Köln ihrem Hass auf alles Fremde zuletzt freien Lauf ließen, verbindet diese neue Generation von Wutbürgern nicht viel – und deshalb reagiert die Politik auch so ratlos auf die Demonstrationen in Dresden und einigen anderen Städten.
Gegen gewalttätige Neonazis oder Hooligans kann sie mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen. Das diffuse Unbehagen dagegen, das viele biedere Sachsen beschlichen hat, trifft sie an ihrem vielleicht wundesten Punkt: Trotz vielfältiger Bemühungen gelingt es ihr nicht, das Zusammenleben in der Bundesrepublik so zu organisieren, dass Fremde sich willkommen fühlen und Einheimische nicht überfordert.
Die Politik hat kaum Antworten auf "Pegida"
All die Integrationsgipfel, die die Regierung veranstaltet, die Integrationspläne, die sie aufstellt und die Integrationsmedaillen, die sie ehrenamtlichen Helfern verleiht, haben die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit nicht schließen können.
Einerseits weiß Deutschland sehr genau, dass es aus ökonomischen Gründen Zuwanderung braucht, dass es politisch Verfolgten Asyl gewähren muss und Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak nicht einfach abweisen kann – auf der anderen Seite aber lässt dieses Deutschland es auch zu, dass seine Gastfreundschaft von radikalen Islamisten ausgenutzt oder von skrupellosen Ausbeutern missbraucht wird, die Sinti und Roma erst ins vermeintlich gelobte Land locken, um sie dann in improvisierten Gettos unterzubringen und für zwei Euro pro Stunde auf ihren Baustellen schuften zu lassen.
So wird der Ton im Land rauer und das gesellschaftliche Klima frostiger. Am Ende zählen dann nicht die nackten Fakten, nach denen in Dresden fast keine Muslime leben und kaum eine Moschee steht, sondern die diffuse Sorge, dass die Stadt beides bald haben könnte – fanatische Muslime und Moscheen, in denen diese ihren Hass auf alles Westliche predigen.
Und die Politik? Reagiert mit den üblichen Reflexen. Als ob damit irgendetwas gewonnen wäre, will Nordrhein-Westfalens Innenminister die Hintermänner der Pegida demaskieren, während die CDU besorgt beobachtet, wie auch die Alternative für Deutschland mit den Ängsten spielt, die sich in Dresden artikulieren. Politische Konsequenzen aber hat das eine so wenig wie das andere. Kriminelle Ausländer sollen zwar schneller abgeschoben werden, doch obwohl die Zahl der gewaltbereiten Dschihadisten steigt, laufen bisher nur etwa 100 Ermittlungsverfahren.
Kommunen sind mit der Flüchtlings-Aufnahme langsam überfordert
Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien wiederum sind längst als sichere Drittländer eingestuft, dennoch kommt jeder sechste Asylbewerber aus einem der drei Staaten. Und obwohl viele Kommunen mit der Aufnahme allmählich überfordert sind, halten Bund und Länder an ihrem Quotendenken fest, das die Flüchtlinge nach einem festen Schlüssel über die Republik verteilt, unabhängig davon, ob irgendwo noch Platz ist oder nicht.
So konsequent die Behörden auch in Zukunft gegen jede Form von Rechtsextremismus vorgehen müssen: Nicht jeder, der mit der Pegida marschiert, ist ein Neonazi. Genau das aber muss der Politik zu denken geben: Dass dieses lose Netzwerk immer mehr Menschen außerhalb des rechten Milieus mobilisiert, Arbeiter, Angestellte, Handwerker. Ihre Sorgen zu ignorieren, war der erste Fehler. Sie zu stigmatisieren, wäre der zweite.
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