Seehofer macht sich in Sachen Flüchtlingspolitik Feinde
Der CSU-Chef will die Zügel im Umgang mit Flüchtlingen straffer anziehen. Sogar mit Bundespräsident Joachim Gauck legt er sich deshalb an. Aber nutzt ihm das auch?
Peter Friedrich sitzt im Auto, er ist gerade auf dem Weg von Kroatien nach Serbien – und er hat auch schon eine Ahnung, was ihn dort erwartet. Natürlich, sagt der baden-württembergische Bundesratsminister am Telefon, werde es in seinen Gesprächen mit Regierungsvertretern auch um die deutsche Asylpolitik gehen. Die Botschaft, die er mit nach Serbien bringt, haben er selbst und seine bayerische Kollegin Beate Merk so auch schon im Kosovo verbreitet: „Im Zweifel kehren diese Menschen ärmer aus Deutschland zurück, als sie sich auf den Weg gemacht haben.“
Alleine im Mai sind fast 1400 Flüchtlinge aus Serbien in die Bundesrepublik gekommen, obwohl sie praktisch keine Chance haben, als Asylbewerber anerkannt zu werden. So weit wie CSU-Chef Horst Seehofer, der die Zügel im Umgang mit den Flüchtlingen generell schärfer anziehen möchte, geht der Sozialdemokrat Friedrich allerdings nicht. „Unser Problem ist, dass wir kein vernünftiges Einwanderungsgesetz haben und viele Menschen das Asylrecht als eine Art Krücke für ihre Einwanderung betrachten“, sagt er. „Sie wollen aus durchaus nachvollziehbaren Gründen ihr Glück bei uns suchen, aber wir haben für diese Menschen kaum Möglichkeiten, legal einzuwandern.“
Seehofer kritisiert Bundespräsident Gauck
Mit seiner Kritik an Bundespräsident Joachim Gauck und seiner Behauptung vom „massenhaften Asylmissbrauch“ hat Seehofer eine Lawine losgetreten, die am Donnerstag in dem Vorwurf der früheren Grünen-Chefin Claudia Roth gipfelte, der Ministerpräsident aus München argumentiere „hetzerisch“, „unanständig“ und geradezu „ekelhaft“.
Vor allem Gaucks Plädoyer, als Lehre aus der Vertreibung nach dem Krieg die vielen Flüchtlinge heute umso großherziger aufzunehmen, habe sehr wohl seine Berechtigung, findet auch der SPD-Vorständler Friedrich. Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verpflichtung zur Humanität – daher sei es „töricht“, das Staatsoberhaupt dafür zu kritisieren. „Hier liegt Herr Seehofer schlicht und ergreifend daneben.“
In einem Interview mit dem Münchner Merkur hatte der CSU-Chef die Aufforderung des Präsidenten zurückgewiesen und hinzugefügt, er wisse aus Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie den Vergleich mit den Flüchtlingen heute nicht gerne hörten. Schon einmal dabei, legte der CSU-Chef gleich noch nach, indem er verlangte, mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären und abgelehnte Asylbewerber zügiger abzuschieben. Außerdem will Bayern Flüchtlinge wieder häufiger mit Essenspaketen versorgen anstatt mit Geld. Bayern selbst hat nach Auskunft des Münchner Innenministeriums im laufenden Jahr bereits mehr als 1300 abgelehnte Bewerber abgeschoben, das sind schon jetzt mehr als im gesamten Jahr 2014.
Bis zu 450.000 Flüchtlinge werden 2015 noch nach Deutschland kommen
Insgesamt rechnen Bund und Länder in diesem Jahr mit bis zu 450.000 Flüchtlingen, die noch nach Deutschland kommen. Von Anfang Januar bis Ende Mai hat das Bundesamt für Migration fast 126.000 neue Asylbewerber registriert, mehr als doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Annähernd die Hälfte der Flüchtlinge, rund 57.000, kommt allerdings nicht aus den Kriegs- und Krisengebieten der Welt, also aus Syrien, dem Irak, Afghanistan oder Eritrea – sondern vom Balkan. Drei der Länder dort, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien, sind inzwischen als sichere Herkunftsländer eingestuft.
Viel bewirkt allerdings habe das in der Praxis nicht, klagt SPD-Mann Friedrich. „Mazedonien haben wir zum sicheren Herkunftsstaat erklärt – und die Zahlen sind angestiegen.“ Daher helfe Deutschland jetzt vor Ort, zum Beispiel im Kampf gegen die Schlepperkriminalität. Umso unverständlicher sei es für ihn, so Friedrich, wenn Seehofer nun von massenhaftem Asylmissbrauch spreche. „Ja, viele Menschen vom Balkan sind noch in Deutschland und warten darauf, dass ihre Verfahren abgeschlossen sind. Aber es kommen weniger neue dazu.“
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