Sterbehilfe für einen Mörder: Lieber tot als im Gefängnis
Der inhaftierte Mörder und Vergewaltiger Frank Van den Bleeken will seinem Leben ein Ende setzen. Und darf es auch. Psychiater haben ihm attestiert, dass er unerträglich leidet.
Frank Van den Bleeken will sterben. Vor vier Jahren bekam er die Erlaubnis nicht. Jetzt liegt sie vor. Irgendwann in den nächsten Tagen wird man den 50-Jährigen, der mehrere Frauen brutal vergewaltigte und eines seiner Opfer 1989 tötete, in eine belgische Klinik bringen. Dort wird er im Kreise seiner Familie eine tödliche Substanz von einem Arzt bekommen. „Ich bin eine Gefahr für die Gesellschaft“, sagte Van den Bleeken noch vor wenigen Wochen. „Was soll ich denn tun? Hier sitzen und warten, bis ich verrecke?“
Frank Van den Bleeken landete in einem normalen Gefängnis
Der Fall erschüttert Belgien, obwohl Van den Bleeken nur einer von rund 1800 ist, die im Jahr 2013 nach offizieller Genehmigung ihrem Leben ein Ende setzen durften. Das Land hat die Euthanasie erlaubt und Anfang des Jahres sogar auf unheilbare Minderjährige ausgeweitet. Van den Bleekens Fall aber liegt anders. Während seines Strafverfahrens erklärten die Richter ihn für unzurechnungsfähig und ordneten eine psychiatrische Behandlung an. Doch der Mörder landete nicht in den Händen erfahrener Therapeuten, sondern in einem normalen Gefängnis.
In den folgenden drei Jahrzehnten seiner Haft sei er nur einmal behandelt worden, begründet er seinen Antrag. Hoffnung gab es für Van den Bleeken, als sich eine niederländische Spezialklinik bereit erklärte, ihn aufzunehmen. Doch das Justizministerium lehnte die Überstellung in das nur 80 Kilometer entfernte Haus ab. Stattdessen besuchten ihn die vom Gesetz geforderten drei Psychiater: Nicht, um ihm zu helfen, sondern um festzustellen, dass er „unerträglich leidet“. Damit waren die geforderten Voraussetzungen der Euthanasie-Regelungen erfüllt. Der nächste Arzt kommt nun, um ihn zu töten.
„Sicherungsverwahrung als indirekte Todesstrafe?“
Seit Bekanntwerden des Falls geht ein Aufschrei durch das Land. Der Rektor der Katholischen Universität Löwen, Rik Torf, fragte über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Sicherungsverwahrung als indirekte Todesstrafe?“ Der Palliativ-Mediziner Wim Distelmans, der Van den Bleekens Gesuch auf Sterbehilfe 2010 abgelehnt hatte, weil er noch Therapiechancen sah, kritisierte: „Wenn der Mann Sterbehilfe erhält, dann frage ich mich, wie der Staat mit seinen Häftlingen und seinen Schwächen im Umgang mit ihnen umspringt.“ Einzig die Schwester eines der Opfer zeigte sich unbeeindruckt und forderte in einer Boulevard-Zeitung: „Er soll in seiner Zelle sterben.“
Van den Bleekens Fall gilt in Belgien vor allem als beispielhaft für das Scheitern des Justizsystems. Überalterte Gefängnisse, aus denen immer wieder aufsehenerregende Fluchtversuche gelingen, gehören zum Alltag. Da selbst die bisherigen Bauten völlig überlastet sind, hat die Regierung Plätze in niederländischen Haftanstalten angemietet – was viele jetzt besonders auf die Palme bringt: „Häftlinge werden problemlos verlegt, therapiefähige Straftäter aber bringt man um“, polterte ein christdemokratischer Politiker kürzlich im Fernsehen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt bereits vor einer schleichenden Ausweitung der Euthanasie. „Wird der Anspruch auf Tötung legalisiert, schafft sich das Angebot immer mehr Nachfrage. Anfangs enge Kriterien werden von Fall zu Fall ausgeweitet. Die Ausnahme wird schleichend zur Regel.“ Die Organisation hat recht. Unmittelbar nach Bekanntwerden der tödlichen Genehmigung für Van den Bleeken beantragten 15 weitere Häftlinge aus belgischen Strafvollzugsanstalten ebenfalls die Erlaubnis, sterben zu dürfen.
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