Warum die Freiheit in der arabischen Welt nicht siegen konnte
Ägypten ist ein Lehrbeispiel: Die Revolutionäre vom Tahrir-Platz wurden zwischen der Armee und den Islamisten zerrieben. Bleibt ein Rest von Hoffnung?
Wer hat etwas zu feiern in Ägypten? Fünf Jahre ist es her, dass die Protestwelle des Arabischen Frühlings auch Kairo erfasste. Es dauert nur 18 Tage, dann war der autoritäre Staatschef Hosni Mubarak hinweggefegt. Und das Ergebnis? „Was Partizipation und Menschenrechte angeht“, so urteilen die Nahost-Experten Muriel Asseburg und Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik, „ist die Situation dort heute deutlich schlechter als in der Mubarak-Ära.“
Warum sind die Hoffnungen und Träume der vielen jungen Menschen, die unter Einsatz von Leib und Leben gegen die verkrusteten Strukturen aufgestanden sind, so herb enttäuscht worden? Immerhin wurden in vier Staaten die Machthaber gestürzt: Es begann in Tunesien. Dann folgte Ägypten.
Nach einem Krieg mit Nato-Beteiligung wurde Libyens Gaddafi abgesetzt und getötet. Schließlich stürzte der Machthaber im Jemen. Doch Libyen und der Jemen stehen heute am Rand der Staatsauflösung. Einzig Tunesien machte Fortschritte auf dem Weg zur Demokratie; die drängenden sozialen Probleme aber sind weiter ungelöst. Deswegen brandet derzeit im Land eine neue Protestwelle auf.
Kann eine Demokratie in Ägypten überhaupt funktionieren?
Besonders lehrreich ist der Fall Ägypten. Die Frage ist, ob eine Demokratie in einem großen Land der arabischen Welt überhaupt funktionieren kann. Ägypten ist das bevölkerungsreichste der vom Islam geprägten Länder im Nahen Osten und in Nordafrika. Mit 87 Millionen hat es sogar mehr Einwohner als Deutschland. Zwei politische Kräfte bilden dort seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts die politischen Gegenpole: die Streitkräfte und die Muslimbruderschaft, eine der ältesten Organisationen des politischen Islamismus.
Bürgerliche Parteien spielten in diesem Spannungsfeld keine große Rolle. Auch die Bürger, die sich vor fünf Jahren über die sozialen Netzwerke im Internet zur Revolution auf dem Tahrir-Platz in Kairo verabredeten, wurden letztlich zwischen den Streitkräften und den Islamisten zerrieben.
Die Armee steht in Ägypten freilich nicht nur für Unterdrückung, sondern stand einst auch für sozialen Fortschritt. Gamal Abdel Nasser, der charismatische Offizier, der 1952 König Faruk stürzte und bis zu seinem Tod 1970 als Präsident amtierte, begründete den Pakt zwischen Armee und Volk. Doch unter seinen Nachfolgern Sadat und Mubarak ging der sozialrevolutionäre Ansatz verloren. Der Konflikt mit den Islamisten dagegen, aus deren Reihen auch die Mörder Sadats kamen, schwelte weiter.
Revolutionäre stehen in Ägypten zwischen Islamisten und der Armee
Deswegen war es für die Armee, deren Solidarisierung mit der Protestbewegung 2011 den Sturz Mubaraks erst ermöglichte, auch eine herbe Enttäuschung, dass die Muslimbrüder die ersten freien Parlaments- und Präsidentenwahlen gewannen. Die Offiziere verhielten sich zunächst loyal. Doch als die Islamisten immer mehr Einfluss auf das gesellschaftliche Leben nahmen und sich die Wirtschaftskrise verschärfte, griffen sie zur Notbremse: Im Juli 2013 putschte General Abdel Fattah al-Sisi, der sich danach zum Präsidenten wählen ließ.
So verloren Ägyptens Bürger ihre mutig erkämpfte Freiheit wieder – und keiner hat zum Jahrestag einen Grund zu feiern. Die Islamisten wollten keine Demokratie, sondern einen islamischen Staat, und werden jetzt unterdrückt. Die Streitkräfte stehen für Ruhe und Ordnung, missachten aber die Bürgerrechte. Nur die Überbleibsel der Protestbewegung treten für die Freiheit ein, sind aber zu schwach.
Zum Glück blieb Ägypten wenigstens von einem Bürgerkrieg verschont. Für die nahe Zukunft ist bestenfalls zu hoffen, dass die Generäle Einsicht zeigen und mehr Freiheit gewähren.
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Na ja - die Kommentare von Herrn Züfle finden selten meine Zustimmung. In diesem Fall hat er was Ägypten angeht vermutlich recht. Aber - warum der gesamte "Frühling" überall, auch in dem immer wieder gepriesenen Musterland Tunesien gescheiter ist, ist, daß die gesamte Entwicklung zu schnell ging. Strukturen die in anderen Ländern 50 Jahre und noch viel mehr Zeit in Anspruch nahmen können dort nicht in wenigen Jahren erflgreich sein. Zudem ist es freaglich ob westliche Stukturen 1:1 auf arabische Länder übertragbar sein. Ich vermute eher nicht. [url=http://www.smilies.4-user.de][img]http://www.smilies.4-user.de/include/Traurig/smilie_tra_011.gif[/img][/url]