Doping: So wird in Deutschland getestet
Das Thema Doping überlagert bislang die Vorfreude auf die Olympischen Spiele. Ein deutscher Kontrolleur berichtet, wie ein Kontrollbesuch abläuft.
Stefan Nussbaum ist gelernter Betriebswirtschaftler. Seit einigen Jahren kümmert sich der 44-jährige Augsburger unter der Woche hauptsächlich um seine beiden Kinder, dafür ist er am Wochenende viel unterwegs – als Dopingkontrolleur im In- und Ausland.
„Ich bin von Haus aus sehr sportbegeistert und war unter anderem Trainer im Fußball“, beschreibt er die Motivation für seinen Teilzeitjob mit dem Schwerpunkt der Beobachtung von Pinkelpausen. „Ich bekomme Einblick in die verschiedenen Sportarten. Das macht Spaß.“
Und er will mit seiner Tätigkeit dafür sorgen, dass er seinen leichtathletikbegeisterten Sohn auch noch in ein paar Jahren mit einem guten Gewissen auf die Laufbahn schicken kann.
Nussbaum arbeitet für die Firma Global Quality Sports mit Sitz in Stuttgart, einer von vier Dienstleistern, die von der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) in Bonn mit den Kontrollen betraut werden. „Auf diese Weise können wir viele Tests parallel durchführen. Konkurrenz hat noch nie geschadet“, begründet Stefan Trinks, der Chef des Nada-Kontrollsystems die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmen. Das Nada-Budget beträgt seit 2015 über neun Millionen Euro. Fast 15.000 Proben (Urin und Blut) haben diese Firmen im vergangenen Jahr in Deutschland eingesammelt, knapp 200 auch bei den Pferden der Olympiakandidaten.
Radfahrer werden häufiger getestet
Nur in insgesamt rund 80 Fällen wurde ein möglicher Verstoß festgestellt. „Wir kontrollieren in allen Sportarten, unterscheiden aber in verschiedene Risikogruppen“, betont Stefan Trinks.
Radfahrer und Kraftsportler werden häufiger getestet als Segler oder Schachspieler. Der „Oberkontrolleur“ hat die Erfahrung gemacht, dass die Athleten „inzwischen dem System weitaus aufgeschlossener gegenüberstehen als früher“. Sie sehen in den Tests vor allem die Möglichkeit, zu beweisen, dass sie sauber sind.
Damit sie nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Training zu erreichen sind, müssen sich die Sportler im Internet mit ADAMS befassen. Anti-Doping Administration and Management System nennt sich die Datenbank der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), mit der auch die Nada arbeitet.
Die Sportler müssen dort ihre Aufenthaltsorte hinterlegen, die Sportler des höchsten Testpools müssen zudem jeden Tag eine Stunde zwischen sechs und 23 Uhr nennen, in der sie für eine Kontrolle zur Verfügung stehen. „Einige von uns haben als Erinnerungshilfe das Wecksignal in ihrem Handy aktiviert“, berichtet der Ulmer Maximilian Reinelt, Goldmedaillengewinner mit dem Ruderachter, aus der Praxis.
Ein eigener Stab bei der Nada plant die Testtermine. „Dabei werden einige Sachverhalte berücksichtigt. Außergewöhnliche Leistungssteigerungen des Athleten können ein Grund sein“, macht Stefan Trinks deutlich.
Sollte ein Kontrolleur den Sportler nicht antreffen, läuft ein genau festgelegtes Verfahren an. Zunächst gibt es eine Anhörung wie in dem kürzlich bekannt gewordenen Fall des Bayern-Fußballers Thiago, einer von rund 450 Fällen im vergangenen Jahr. „Weder dem Spanier noch dem Verein war ein Verschulden nachzuweisen“, so Eva Bunthoff, Kommunikationschefin der Nada.
Ausnahmegenehmigungen sind selten
Es wurde kein „Versäumnis“ festgestellt, wie die Gelbe Karte der Anti-Doping-Wächter heißt. Bei rund 250 davon haben die Bonner 2015 ein Versäumnis festgestellt. Drei für eine Person bedeuten einen Meldepflichtverstoß und können eine Sanktion nach sich ziehen. „Davon hatten wir seit 2009 lediglich rund zehn“, so Bunthoff.
Eher klein sei auch die Zahl der medizinischen Ausnahmegenehmigungen, auch in Bezug auf Asthmamittel. Denn viele Wirkstoffe, die in Asthmamitteln enthalten sind, stehen heute nicht mehr auf der Verbotsliste und benötigen keine Ausnahmegenehmigung.
Auch Horrorgeschichten der Vergangenheit, als in anderen Ländern mit präparierten Kondomen Fremdurin bei der Kontrolle abgegeben wurde, schließt Stefan Nussbaum in Deutschland aus. „Ich behaupte, dass solche Manipulationsmöglichkeiten nahezu unmöglich sind. Wir werden regelmäßig geschult wie der Abgabeprozess des Urins vom Becher bis hin zur Versiegelung abzulaufen hat. Wir kontrollieren dies sehr streng.“
Programm für Whistleblower
Sünder müssen mit dem neuen Anti-Doping-Gesetz der Bundesregierung härtere Konsequenzen befürchten. „Wir können nun die Zusammenarbeit mit den staatlichen Ermittlungsbehörden viel besser koordinieren“, nennt Bunthoff die Vorzüge der neuen Regelung.
Mit dem Programm „Sprich’s an“ will die Nada zusätzlich Whistleblower animieren, auf Verdachtsfälle aufmerksam zu machen. „Es gab schon einige anonyme Hinweise“, so Bunthoff.
Wie wichtig wirklich bedeutsame Hinweise aus der Branche sein können, haben jedoch russische Leichtathleten gezeigt. „Dadurch sind Strukturen zu erkennen, die darauf hindeuten, dass ein System hinter dem Doping steckt. Es wird von uns deshalb sehr begrüßt, wie sich die Wada in diesem Fall positioniert hat“, betont Stefan Trinks. Der Weltverband IAAF hat die russischen Leichtathleten suspendiert, der Sportgerichtshof CAS die Entscheidung bestätigt.
Stefan Trinks: „Wir in Deutschland haben ein striktes System mit vielen Kontrollen. Ich hoffe auf saubere Spiele, aber es gibt natürlich immer wieder Dopingfälle, die möglicherweise sogar erst ein paar Jahre später ans Licht kommen.“
Das Internationale Olympische Komitee hat erst kürzlich eingefrorene Proben der Spiele 2008 in Peking und 2012 in London nachkontrollieren lassen und dabei zahlreiche Dopingsünder entlarvt. „Die Konsequenz muss sein: Weg mit den Medaillen und den Rekorden – selbst Jahre nach den Spielen“, so Trinks.
Auch in Deutschland werden die Proben bei minus 20 Grad eingefroren und können bei Bedarf noch einmal überprüft werden. Wenn die Analyseverfahren in einigen Jahren noch feiner sein werden.
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