Schweig Réthy! Jetzt red i!
Egal, wie Deutschland heute spielt: Fan regt sich danach auf. Über Béla Réthy. Der kommentiert. Dabei könnte man auch ganz einfach aus einer Heerschar Berufener auswählen.
Mittagspause in Deutschland und in der Kantine sind sich alle einig: Das war mal wieder schlimm gestern Abend. Was Béla Réthy da zusammenfabuliert hat. Oder dieser Poschmann – superschlimm. Am besten sei doch immer noch der Kommentar im EM-Spiel gewesen, als die Spanier siegten, trotzdem 20 000 Iren auf den Rängen sangen – und ARD-Mann Tom Bartels dazu einfach nur schwieg.
Für den geneigten Fußballfan gibt es zwei Reizfiguren: neben dem Schiedsrichter vor allem den Kommentator. Doch seit dieser Europameisterschaft ist für alle leidgeplagten Fernsehzuschauer im Internet eine Alternative verfügbar. Auf der Seite marcel-ist-reif.de kann man selbst kommentieren oder anderen Laienkommentatoren zuhören. Fernsehton aus, Audio-Stream an – schon ist eine breite Auswahl verfügbar, von bayerisch-kompetent bis kölsch-angeheitert. „Den Schiedsrichter kann man nicht so leicht auswechseln, den Kommentator schon“, sagt Initiator Wendelin Hübner.
Die Idee ist im vergangenen Sommer entstanden, beim Champions-League-Gucken. In der Halbzeit ist das Bier ausgegangen und so schlenderten Hübner und sein Geschäftspartner Moritz Eckert zum Kiosk. Auf dem Weg hörten sie zwei Studenten, die vor einem Café ausgelassen über Fußball philosophierten. Das müsse man der Allgemeinheit zugänglich machen, dachten die beiden.
Nicht jeder Hobby-Kommentator ist unterhaltsam
Über 700 Leute haben sich mittlerweile auf der Seite registriert. Kommentatoren, die mit Qualitäten werben, wie etwa alle Panini-Hefte seit 1986 zu besitzen oder als Ausputzer beim FSV Hansa 07 Kreuzberg zu spielen. Unter den Hobbykommentatoren sind Sportstudenten, chaotische WG-Kumpanen, auch einen eigenen Mädchenkanal gibt es. „Nicht so trocken wie bei Réthy, Schmidt, Poschmann und Konsorten“, verspricht ein Nutzer namens Sebastian Stinson. Allerdings ist bei Weitem nicht jeder auch tatsächlich so unterhaltsam und geistreich, wie er in seinem Profil verspricht. Mitunter ist auch viel Phrasendrescherei und Dampfgeplauder dabei.
Bei guten Kommentatoren jedoch liegt die Zahl der Zuhörer mitunter im vierstelligen Bereich. Dass da die Technik manchmal überfordert ist, ist klar. Sie hätten mit einem derartigen Zulauf nicht gerechnet, gesteht Hübner. „Aber schließlich lebt das Ganze auch davon, dass es nicht so perfekt ist“, sagt er. Ob das Projekt nach der EM fortgesetzt wird, ist indes noch offen. Hübner sagt in bester Fußball-Plattitüde: „Wir denken momentan nur von Spiel zu Spiel.“
Die Diskussion ist geschlossen.