Harting holt Diskus-Gold
Mit einem Urschrei schleuderte Robert Harting die Scheibe auf 68,27 Metern. Der Berliner holte damit nach zwölf Jahren erstmals wieder Leichtathletik-Gold für Deutschland.
Mit sieben PS im Arm und einer Abwurfgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern schnellte sein Diskus beim Siegeswurf in den Londoner Nachthimmel. Den Gold-Wurf des 2,01 Meter großen Harting (27) konnte in einem dramatischen Finale auch der bis dahin mit 68,18 Meter führende Iraner Ehsan Hadadi nicht mehr überbieten.
Der WM-Dritte wurde mit 68,18 Meterm Zweiter, Bronze ging mit 68,03 an den Esten Gerd Kanter, den Olympiasieger von Peking 2008. Als Hadadi seinen letzte Chance vergeben hatte, zerriss Harting wie bei seinen beiden Weltmeisterschaftstiteln 2009 und 2011 im Siegesrausch unter lautem Gebrüll sein Nationaltrikot. Dann hüllte er sich in eine Deutschland-Fahne und startete zur Ehrenrunde. Martin Wierig aus Magdeburg kam bei seinem Olympia-Debüt mit 65,85 Metern auf den sechsten Platz.
Vor Hartings Siegeswurf war der letzte goldene Olympia-Tag für die deutsche Leichtathletik der 29. September 2000, als in Sydney die Weitspringerin Heike Drechsler gewann. Der letzte Diskus-Olympiasieg lag noch weiter zurück: 1996 in Atlanta wurde Lars Riedel gefeiert. Davor gelang dies nur noch Rolf Danneberg (1984) und Jürgen Schult (1988).
"Ich will dieses verdammte Gold", hatte der 27-jährige Berliner gesagt, als im Herbst 2011 sein stark lädiertes Knie das goldene Olympia-Projekt in Gefahr brachte, "und wenn ich später im Rollstuhl sitze." Mit der zweitbesten Weite von 67,79 Metern startete Harting gut ins Finale - 39 Zentimeter fehlten auf Hadadi und damit zu Gold. Im zweiten Durchgang schleuderte der Hüne aus Berlin die Scheibe ins Fangnetz, das Nervenspiel war eröffnet. Ein solider dritter Versuch (67,27 Meter), ein schwächerer vierter (66,45) - es wurde eng.
Im fünften Versuch schockte ihn dann auch noch Kanter mit einem kraftvollen Versuch auf 68,03, mit dem der Olympiasieger von Peking Harting auf den Bronze-Rang zurückwarf. Doch der Berliner erwies sich als Champion, schlug selbst zurück und durfte Minuten später jubeln.
Gold war programmiert, es war Hartings 29. Sieg in Serie. In diesem Jahr hat keiner weiter geworfen als der sechsmalige deutsche Serienmeister: Erstmals in seiner Karriere durchbrach der Olympia-Vierte von 2008 mit der Zwei-Kilo-Scheibe die 70-Meter-Marke. Einmal landete sie sogar bei 70,66 Meter. Nur 3,42 Meter fehlen noch zum weitesten Wurf aller Zeiten.
"Der Weltrekord ist für uns viel weniger ein Thema als für die Öffentlichkeit", sagte Harting-Trainer Werner Goldmann. "Öfter 69,70 Meter zu werfen, ist für mich mehr Nachweis von Klasse, als auf einer Segelwiese einen Weltrekord zu erzielen." Statt 74,08 Meter weit wie im Juni 1986 der Schweriner Jürgen Schult zu werfen, sammelt Harting lieber Titel. Nach WM- und EM-Sieg ist der Goldgewinn an der Themse die dritte Glanztat innerhalb von 365 Tagen.
"Jap!! - ein weicher Wurf mit 66,20 Meter ins Finale", hatte der Student der Gesellschaftskommunikation nach überstandener Qualifikation getwittert. Einen Wurf brauchte er nur, obwohl sein Bett im olympischen Dorf zu kurz für den 2,01 Meter langen Riesen ist. "Mit den Füßen habe ich Bodenkontakt, aber ich schlafe auch auf dem Boden gut", erzählte er gelassen. Nichts konnte ihn irritieren - auch nicht die Würfe der Konkurrenz an seinem goldenen Abend.. (dpa)
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