Das komplette Leben auf einen Klick
Das Netzwerk will zur Chronik werden – und zugleich mehr über seine Nutzer erfahren
Berlin Vom ersten Kuss bis zur Hochzeit, vom Führerschein bis zum neuen Job: Facebook hat vor wenigen Tagen seine Online-Zeitliste aktiviert. Das Netzwerk will damit zur Lebenschronik werden – und sich zugleich immer tiefer im Leben seiner Mitglieder verankern.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg glaubt, dass die Menschen immer mehr aus ihren Leben mitteilen wollen. Seine Plattform soll zur Kommunikationszentrale des Internets werden, die jeden Tag Millionen von Statusmeldungen, Bildern, und „Gefällt mir“-Bekundungen umschlägt. Die neue „Chronik“, wie die Zeitleiste in Deutschland heißt, ist Teil dieses Plans. Bislang war Facebook in der Gegenwart verhaftet. Nun erleichtert das Netzwerk mit einer magazinartigen Zeitleiste, auch die Vergangenheit zu präsentieren.
Das Ziel ist klar: Wer Zeit und Mühe in seine Lebenschronik bei Facebook investiert hat, wird das Netzwerk so schnell nicht wieder verlassen. Ob die Informationen als Schmiermittel für die Werbemaschine dienen werden, um Anwendern auf sie zugeschnittene Anzeigen zu präsentieren, steht nach Angaben von Facebook-Sprecherin Tina Kulow nicht fest. Ausgeschlossen sei eine Nutzung im Rahmen der Geschäftsbedingungen aber nicht.
Bei der Einführung neuer Funktionen hatte sich Facebook in der Vergangenheit wenig um Datenschutz geschert. Das ist dieses Mal anders. Nun stellen Datenschützer zufrieden fest, dass die Freigaben für bereits hochgeladene Inhalte bestehen bleiben, sodass keine unliebsamen Überraschungen drohen. Ein Protokoll schafft Transparenz über frühere Aktivitäten. Und wer bei der Zeitleiste ein mulmiges Gefühl hat, kann die Sichtbarkeit älterer Einträge auf einen Schlag beschränken. „Jeder Nutzer hat absolute Kontrolle über die Inhalte in seiner Chronik und bestimmt selbst, wer was sehen kann“, betont Facebook.
Tatsächlich eckt das Unternehmen dieses Mal offenbar deutlich weniger an als etwa bei der Einführung der immer noch umstrittenen Gesichtserkennung. Datenschützer Johannes Caspar lobt, dass die Chronik nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Nutzer freigeschaltet wird. Diese Wahlmöglichkeit müsse auf Dauer bleiben. Auch die Übergangszeit bei der Freischaltung der Chronik hält Caspar für sinnvoll.
Bedenken gibt es eher gegen die Datenflut, die dadurch ausgelöst werden könnte. „Jeder kann hier sein Leben in allen Details selbst inszenieren“, sagt Caspar. „Damit werden die Datenmengen, die von den Nutzern in Umlauf gebracht werden, deutlich zunehmen.“
Was, wenn eine technische Panne Fotos oder Kommentare preisgibt, die nur ein paar Freunde sehen sollten? Dass so etwas passieren kann, hat Zuckerberg kürzlich am eigenen Leib erlebt: Einige seiner privaten Fotos waren kurzzeitig für alle Welt zu sehen – und sind nun an anderer Stelle im Netz zu finden. (dpa)
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